US-Gesundheitsreform:Kaffee statt Tee

Koffeinhaltiger Widerstand: Die "Coffee-Party-Bewegung" versammelt auf Facebook Anhänger der US-Gesundheitsreform - und läuft der "Tea-Party-Bewegung" den Rang ab.

Christian Wernicke, Washington

Wer möchte, kann im Internet live zusehen, wie Amerika gerade auf einen neuen Geschmack kommt. Knapp 99000 Menschen haben sich bei Facebook bis Montagabend als Kaffeetrinker geoutet. Und jede Minute werden es zwei, drei mehr. Prompt erheben die Aktivisten den Anspruch, eine Bewegung zu verkörpern: "Coffee Party Movement" nennen sie sich. Das ist weniger kulinarisch denn politisch gemeint. Denn die Freunde des Kaffees wollen vor allem eines: Den Trend zum Tee stoppen.

Der spektakuläre Feldzug der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung war es, der die Gegenströmung kreierte. Im Januar grübelte Annabel Park - genervt von all den Fernsehreportagen über die wilden Anti-Obama-Proteste - auf ihrer Facebook-Seite öffentlich, dass man eine Gegen-Party "mit irgendwas anderem, nur keinem Tee" anzetteln müsse. Fruchtsaft, Red Bull, Cappuccino, so allerlei kam der Dokumentarfilmerin in den Sinn. Es blieb beim simplen Kaffee. Die Website und das Video auf YouTube folgten. Da steht die kleine Frau, mit einem Pappbecher des Bohnentranks in der Hand und erklärt verzagt, warum es Zeit sei, etwas Neues zu wagen: "Die Tea-Party repräsentiert nicht Amerika."

Amerikas politischer Kaffee

Die Kaffee-Freunde predigen vor allem Vernunft. Sie mahnen die Parteien in Washington zur Zusammenarbeit, fordern von Demokraten und Republikanern den Mut zum Kompromiss. Das klingt recht unparteiisch, ist aber - da Präsident Barack Obama nichts so dringlich braucht wie etwa das Gesetz zur Gesundheitsreform - letztlich ein Gebräu, an dem die Regierung mehr Geschmack findet als die Opposition. Am Wochenende musste Park dementieren, sie sei eine bezahlte Obama-Agentin: Sie habe 2008 zwar Wahlkampf für den Demokraten gemacht, dafür aber keinen Cent kassiert.

Wie stark Amerikas politischer Kaffee ist, will die Bewegung am kommenden Samstag testen: Dann sollen alle Fans sich virtuell oder in irgendeinem Lokal als örtliches Kaffeehaus etablieren. Bis dahin muss Park viel Koffein trinken - um wachzubleiben und die mehr 300 Anfragen zu beantworten, in denen Fans aus allen Bundesstaaten um das Gütesiegel buhlen, eine ehrlich gebrannte Unterabteilung der neuen Bewegung zu sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: