Gesetzesinitiative in den USA:Online-Shopping von Kriegsgerät soll verboten werden

Outrage In Missouri Town After Police Shooting Of 18-Yr-Old Man

Ein massives Polizeiaufgebot versucht mittels Rauchpatronen und Tränengas die Demonstranten in Ferguson in Schach zu halten

(Foto: AFP)

Militärmaterial im Wert von 450 Millionen Dollar erhielten US-Kommunen allein im Jahr 2013. Politiker wollen das Entsetzen über die Tumulte in Ferguson nun nutzen, um die Militarisierung der US-Polizei per Gesetz zu stoppen.

Von Benedikt Becker

Die bedrohliche Entwicklung war für Hank Johnson schon seit langem absehbar. Wenn nichts geschehe, dann würde bald jede amerikanische Kleinstadt aussehen wie Bagdad oder Kabul, schrieb der Kongressabgeordnete vor einigen Monaten in einem Gastbeitrag für USA Today. Hauptstraßen würden sonst bewacht wie Kriegsgebiete in fernen Ländern, warnte der Demokrat und kritisierte die rasante Militarisierung der amerikanischen Polizei.

Der Artikel blieb folgenlos, doch nun sieht Amerika und der Rest der Welt in Ferguson, worüber Hank Johnson sich solche Sorgen macht. Der Abgeordnete aus Georgia will das allgemeine Entsetzen nutzen, um per Gesetzesänderung die Aufrüstung der Polizei zu stoppen und so weitere Eskalationen zu verhindern.

Seit am 9. August der 18-jährige Michael Brown von einem weißen Polizisten erschossen wurde, befindet sich der Vorort von St. Louis im Ausnahmezustand. Immer wieder kommt es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei, nächtliche Ausgangsperren wurden verhängt und missachtet. Der Gouverneur von Missouri setzt die Nationalgarde ein, "um Frieden und Ordnung wiederherzustellen".

Das militärische Auftreten der Polizei hat viele Bürger in Ferguson zusätzlich aufgebracht: Beamte in Flecktarn, das Gewehr vor der Brust, die Pistole im Oberschenkelholster, so wie Soldaten ihre Waffen tragen. Gepanzerte Fahrzeuge, auf denen Präzisionsschützen sitzen. Es sind Bilder wie aus einem Kriegsgebiet, mitten aus Amerika.

Militär-Ausrüstung im Wert von 5,1 Milliarden US-Dollar

Diese Militarisierung der Polizei wäre undenkbar ohne die Unterstützung des Pentagon. Seit 1997 läuft das Programm 1033, über das Bundespolizei und lokale Polizeistationen militärische Ausrüstung bestellen können. Meist handelt es sich dabei um Material, das zuvor in den Kriegen in Afghanistan oder Irak eingesetzt wurde und nun nicht mehr benötigt wird. Das Angebot umfasst Büromöbel und Splitterschutzwesten, aber auch schwere Waffen, gepanzerte Fahrzeuge und kleinere Flugzeuge oder Boote. Ausrüstung im Wert von 5,1 Milliarden US-Dollar hat die Polizei seit Beginn des Programms übernommen. Allein 2013 wechselten Gerätschaften im Wert von 450 Millionen US-Dollar den Besitzer.

Die Prozedur ist einfach: Über ein Formular auf der Webseite der Logistikagentur des US-Verteidigungsministeriums können die Dienststellen der Polizei die gewünschten Artikel bestellen. Bei gepanzerten Fahrzeugen wird es ein wenig komplizierter. Dann muss zusätzlich ein einseitiges Formular mit konkreteren Angaben ausgefüllt werden. Online-Shopping für Behörden sozusagen.

Keine gepanzerte Fahrzeugen und Drohnen mehr für US-Städte

Hank Johnson sitzt im Streitkräfte-Ausschuss des Repräsentantenhauses und setzt sich dafür ein, den Zugang zu militärischer Ausrüstung zu erschweren. Ihn stört, dass lokale Polizeistationen Material bestellen können, ohne dass Gemeinderäte oder andere gewählte Volksvertreter zustimmen müssen. Schon vor den tragischen Ereignissen von Ferguson habe er Unterstützung für seine Vorschläge bekommen, sagt er. Jetzt sei er bereit, seine Vorstellungen mit einem Gesetzentwurf im Kongress einzubringen. Dieser sieht folgendes vor:

  • Nur noch bestimmtes Material darf übernommen werden. Die Weitergabe von gepanzerten Fahrzeugen, Großkaliber-Waffen, Drohnen oder Flugzeugen wird verboten.
  • In einem jährlichen Bericht soll über die von der Polizei verwendete ursprünglich militärische Ausrüstung Rechenschaft abgelegt werden.
  • Die Dienststellen der Polizei müssen nachweisen, dass ihre Beamten ausreichend für die Ausrüstung geschult sind.
  • Ausrüstung, die nicht verwendet wird, soll an die Streitkräfte zurückgegeben werden.

Auch Senator Rand Paul kritisiert militärisches Auftreten der Polizei

Für seinen Vorstoß bekommt Johnson Unterstützung aus beiden politischen Lagern, sowohl aus dem Repräsentantenhaus wie aus dem Senat. Prominentester Fürsprecher für eine Demilitarisierung der Polizei ist Rand Paul. Der Senator aus Kentucky gilt als aussichtsreicher Kandidat der Republikaner für die Präsidentschaftswahl 2016. Die Polizei habe eine legitime Rolle, den Frieden zu wahren, schreibt Paul in einem Gastbeitrag für das Nachrichtenmagazin TIME. Es müsse allerdings einen Unterschied zwischen Polizeiarbeit und militärischem Vorgehen geben.

Riot police stand guard as demonstrators protest the shooting death of teenager Michael Brown in Ferguson, Missouri

Mit schwerem Gerät: Eine Sondereinheit der Polizei nimmt die Demonstranten in der Stadt Ferguson ins Visier.

(Foto: REUTERS)

Der US-Kongress befindet sich in der Sommerpause, erst in drei Wochen beginnt die nächste Sitzungswoche. Bis dahin will Johnson weitere Unterstützer für seine Pläne finden. Momentan zumindest noch bewegt das Geschehen in Ferguson das gesamte Land.

Doch selbst wenn Johnsons Entwurf eingebracht ist, kann er schnell im Gesetzgebungsprozess versanden. Die Mühlen der amerikanischen Legislative mahlen langsam - erfahrungsgemäß besonders dann, wenn es um die striktere Handhabe von Waffen und militärischer Ausrüstung geht.

Erst im Juni lehnte das Repräsentantenhaus mit deutlicher Mehrheit eine ähnliche Gesetzesänderung ab, mit der die Weitergabe von biologischen Kampfstoffen, Raketen und anderen Waffen an die Polizei verboten werden sollte. Der vom Demokraten Alan Grayson aus Florida eingebrachte Reformvorschlag war noch deutlich schwächer als Johnsons Entwurf.

Selbst das Entsetzen nach dem Amoklauf von Newtown Ende 2012 führte bekanntlich nicht dazu, dass die Waffengesetze verschärft wurden. Doch Hank Johnson, der Demokrat aus Georgia, wird weiterkämpfen.

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