General David Petraeus hat in seinem Leben viele politische Schlachten geschlagen, eine wirklich wichtige gewonnen und eine verloren. Gewonnen hat er, als er die Regierung von Barack Obama gegen den erklärten Willen des Vizepräsidenten und anderer wichtiger Entscheidungsträger dazu brachte, die Zahl der Soldaten in Afghanistan substantiell um 34 000 zu erhöhen. Das war im Dezember 2009.
Verloren hat er, als Obama im selben Atemzug verkündete, anderthalb Jahre später, also im Sommer 2011, diese 34 000 Soldaten auch wieder abzuziehen. Bis Herbst 2012 werden diese Soldaten Afghanistan verlassen haben. Dann wird in den USA gewählt, und noch mal zwei Jahre später sollen die verbliebenen 68 000 amerikanischen Soldaten vom Hindukusch verschwunden sein. Danach müssen die Afghanen allein in ihrem Land zurechtkommen.
Petraeus hat gegen diesen Abzugsplan gekämpft, er hat sich gegen eine Festlegung auf ein konkretes Datum ausgesprochen, weil er die Folgen abschätzen kann. Afghanistan wird nicht zur Ruhe kommen, wenn die fremden Truppen abgezogen sind. Im Gegenteil, je konkreter die Abzugspläne der Internationalen, desto entspannter die Taliban. "Ihr habt die Uhr, wir haben die Zeit", heißt die afghanische Weisheit, die ein General Petraeus durchaus zu deuten weiß. Ein um seine Wiederwahl bangender Präsident kann ihn aber nicht beherzigen.
Von Versöhnung keine Spur
Wenn der General nun Abschied nimmt von Kabul und auch von der Truppe, weil er in Washington CIA-Direktor wird, dann blickt er zwar auf eine ruhmreiche militärische Karriere zurück. Aber er hinterlässt auch viel Ungewissheit. Die Zahl der Anschläge im Land ist zwar erstmals zurückgegangen. Die Afghanen verdanken das den zusätzlichen ausländischen Soldaten und auch den eigenen Truppen, die inzwischen Dienst tun.
Aber die Ruhe könnte trügerisch und lediglich dem Umstand geschuldet sein, dass die Taliban den Abzug aussitzen. Niemand weiß es genau. Die höchst symbolischen Attentate auf Polizeichefs und auf den Bruder und einen Berater von Präsident Karsai zeugen von ihrer Kampfbereitschaft. Einen sichtbaren politischen Prozess zur Versöhnung und zum Machtausgleich gibt es nicht.
Der Afghanistan-Einsatz krankt schon seit zehn Jahren am immer selben Problem, für das nun auch die Ablösung des Vorzeigegenerals Petraeus ein Beispiel ist: Es fehlt die Kontinuität. Seit der Intervention 2001 schob die internationale Gemeinschaft in hohem Tempo Truppen in das Land hinein und zog sie wieder hinaus, sie wechselte Kommandeure im Jahrestakt und rettete sich zu oft in substanzlose Gipfel-Symbolik wie in den letzten Jahren in Den Haag oder London, wo viel von Verantwortung die Rede ist und wenig von Ausdauer.
Es geht um Abzug, nicht mehr um Aufbau
Petraeus brachte als einziger Kommandeur die nötige Autorität auf, diesen Prozess im Land glaubwürdig mit Taten zu füllen. Seine Kommandeurs-Vorgänger mögen brillante Soldaten oder gewiefte Taktiker gewesen sein - Petraeus war Soldat, Politiker und Führungsfigur in einem. Nicht zufällig sehen viele Amerikaner in ihm eine Art Eisenhower und wollten ihn zum Präsidenten machen. Dazu ist nicht der richtige Zeitpunkt, wenn der denn jemals kommt. Obama verstand es jedenfalls geschickt, den potentiellen Widersacher in die Pflicht zu nehmen. Und bei der CIA ist der Direktorensessel direkt auf der Falltür platziert.
Petraeus hinterlässt in Afghanistan das Gefühl, dass mit seinem Kommando auch der Scheitelpunkt des Einsatzes erreicht war. Von nun an geht es um den Abzug, nicht mehr um Aufbau. Keine Regierung wird für Afghanistan zusätzliche Helfer schicken, kein Parlament wird den Einsatz verlängern. Das Abzugsdatum leuchtet hell. Im Jahr 2014 endet nach dem Willen der internationalen Gemeinschaft die Verantwortung. Spätestens 2015 wird man dann über Versäumnisse und verlorene Schlachten reden.