Mitt Romney hat ein Problem mit Frauen: Sie wählen lieber Barack Obama. Der US-Präsident liegt bei der weiblichen Wählerschaft 19 Prozent vor dem Republikaner, wie die aktuelle Umfrage der Washington Post und des Senders ABC News zeigt. Auch eine Studie des Forschungsinstituts Gallup und der USA Today offenbart: In den sogenannten Swing States würde Obama derzeit gewinnen - dank der weiblichen Wählerschaft. Das sind die Staaten, in denen die Mehrheitsverhältnisse zwischen Demokraten und Republikanern nicht eindeutig und vor jeder Präsidentschaftswahl unterschiedlich sind - diese Staaten können am Wahlabend entscheidend sein.
Romney, der schneidige Unternehmer, punktet zwar bei den Männern: Acht Prozentpunkte liegt er bei ihnen der Washington Post-Studie zufolge vor Obama. Doch allein ihre Stimmen werden ihn im November nicht zum Präsidenten machen. Und die amerikanischen Frauen, das ist in den USA schon seit Bill Clintons Wiederwahl 1996 so, wählen lieber Demokraten. Schließlich, so argumentiert die amerikanische Presse, legen die Liberalen Wert auf Themen, die Frauen bewegen: Bildung, Gesundheitsversorgung und Gleichstellung am Arbeitsmarkt.
So unterzeichnete Obama 2009 in seiner ersten Woche als Präsident den "Ledbetter-Act", ein Gesetz, das es Frauen erleichtert, gegen Lohnungleichheit zu klagen. Wie Romney denn zu diesem Gesetz stehe, fragte am Dienstag die Huffington Post das republikanische Wahlkampfteam. Die Antwort fiel nach einigem Zögern mau aus: "Wir kommen darauf zurück." Ein paar Stunden später hieß es vage, das Prinzip gleicher Bezahlung bei gleicher Arbeit unterstütze man.
Auch Romneys restriktive Haltung zu den Streitthemen Abtreibung und Verhütung macht ihn bei vielen Frauen unbeliebt. Die staatliche Organisation "Planned Parenthood", die sich um die Gesundheitsvorsorge bei Frauen kümmert, "werden wir los", sagte der Mormone Romney letzte Woche. "Damit vernichtet er eine Organisation, die jährlich drei Millionen Menschen auf Krebs untersucht und bei Verhütung berät", sagte daraufhin ein Mitarbeiter von "Planned Parenthood". Auf ihrer Internetseite bezeichnet die Organisation den Republikaner als "Trottel". Die Demokraten legen nach und nennen die Einstellung Romneys "war on women", einen Krieg gegen Frauen.
Doch seine konservative Einstellung zu Verhütung und Abtreibung kann nicht der einzige Grund sein, warum Frauen Romney ihre Stimme verweigern. Schließlich hatte Rick Santorum, bevor er sich aus dem republikanischen Wahlkampf zurückzog, bessere Werte bei Wählerinnen. Die Journalistin Nona Aronowitz argumentiert im amerikanischen Magazin Good: "Zumindest wussten wir, wo Santorum steht. Romney macht den Eindruck eines frauenfeindlichen, teilnahmslosen und opportunistischen Politikers."
Republikanische Wahlkampfstrategen suchen nun verzweifelt nach einem Weg, die weibliche Wählerschaft vom Gegenteil zu überzeugen. So versuchte Romney in der vergangenen Woche, Frauen mit seinem Lieblingsthema, der liberalen Marktwirtschaft anzusprechen: "Obama führt mit seiner gescheiterten Wirtschaftspolitik den eigentlichen Krieg gegen Frauen". Um dies zu untermauern zitierte er wiederholt eine Zahl: 92 Prozent der Arbeitsplätze, die unter Obamas Regierung seit 2009 verloren gegangen seien, hätten ehemals Frauen besetzt. Die New York Times stellte allerdings klar: Viele männliche Fabrikarbeiter verloren bereits vor Obamas Amtszeit ihre Jobs, die besonders von der Finanzkrise gefährdet waren. Romneys Anhänger führen außdem ins Feld, er habe in seiner Zeit als Gouverneur hohe Stellen mit Frauen besetzt.
Ann Romney, die Ehefrau des Republikaners, schaltet sich nun auch in den Wahlkampf ein. Vor einigen Tagen urteilte Obamas Parteifreundin Hilary Rosen über sie abschätzig: "Sie hat nicht einen Tag in ihrem Leben gearbeitet". Damit stieß sie einen Proteststurm, auch bei Frauen, los. Präsident Obama beruhigte ihn am Donnerstag mit den Worten: "Es gibt keinen härteren Job, als Mutter zu sein".
Mrs. Romney, Hausfrau und fünffache Mutter, kann ältere Frauen mit ihrer Biografie überzeugen: Sie hat eine Krebserkrankung überwunden und kämpft mit Multipler Sklerose. Doch die liberale Presse überzieht Romneys Ehefrau mit Häme: Der Blogger und Journalist Bob Cesca veröffentlichte eine Karikatur, auf der Mrs. Romney ihr Schicksal als Hausfrau beschreibt: "Ich weiß nicht, in welchem unserer vielen Häuser ich wohnen soll!" Er trifft einen Nerv: Die Frauen, die Romney zur Präsidentschaft verhelfen sollen, sind jung, nicht annähernd so vermögend wie Ann Romney und fragen sich, wo sie in Zukunft stehen. Die Organisation "Planned Parenthood" urteilt: "Mitt Romneys politische Priorität ist nicht die Gesundheit von Frauen oder der Ausbau von Arbeitsplätzen. Es ist Mitt Romney."