US-Einwanderungspolitik:Illegal im Geburtskanal

Konservative US-Politiker beklagen, dass Tausende hochschwangere Frauen als illegale Einwanderer oder Touristen jährlich in die USA zur Entbindung reisen, um ihre Kinder zu US-Staatsbürgern zu machen. Nun wollen sie die Verfassung ändern.

Christian Wernicke

Niemand weiß, wie viele es sind. Oder wie sie aussehen oder wo sie sich verstecken. Und doch redet dieser Tage halb Amerika über sie: Über jene "Geburts-Touristen", die zu Lande, zu Wasser und in der Luft angeblich aus aller Welt in die Vereinigten Staaten strömen und dort ihr "Anker-Baby" gebären. Als Ursache dafür, dass mutmaßlich Tausende hochschwangere Frauen als illegale Einwanderer oder Touristen jährlich in die USA zur Entbindung reisen, haben konservative Politiker nun Amerikas Verfassung ausgemacht: "Alle Personen, die in den Vereinigten Staaten geboren sind", so lautet das Versprechen im 14. Zusatzartikel der US-Konstitution, "sind Bürger der Vereinigten Staaten." Eine Gruppe republikanischer Senatoren will den neuen "Baby-Boom" nun stoppen und die Verfassung ändern.

BABY PARTY Parenting American Motherhood

Kinder in einem medizinischen Zentrum in Michigan. In den USA befürchten Republikaner, Einwanderer könnten sich über ihre Kinder Rechte erschleichen.

(Foto: AP)

Die neue Debatte begann, nachdem ein US-Bundesgericht im Juli dem Bundesstaat Arizona verboten hatte, verschärft gegen illegale Immigranten vorzugehen. Befürworter drakonischer Regeln warnen, professionelle Schlepperbanden aus Mexiko würden seit Jahren Schwangere ins Land schleusen. Auf diese Weise würden vorrangig in Kalifornien, Arizona, New Mexico und Texas Tausende sogenannter "Anker-Babies" geboren. Ihre Eltern, so der Vorwurf des republikanischen Senators Lindsey Graham, würden ihren Nachwuchs bei Freunden oder Verwandten "absetzen und dann abhauen". Die "Anker-Babies" hätten dann als neue US-Bürger automatisch Anspruch auf Sozialleistungen und könnten vom 21. Lebensjahr an ihren leiblichen Eltern als Anker dienen, indem sie diese per Antrag auf Familienzusammenführung nachholen.

Pauschalreise zur Geburt in New York

Harte Beweise für einen massenhaften Missbrauch des US-Geburtsrechts blieb Graham bisher schuldig. Sein Büro kann nur darauf hinweisen, dass unter den 4,27 Millionen Geburten anno 2006 sich exakt 7670 Mütter befanden, die angaben, sie hätten keinen Wohnsitz in den USA. Zudem ist die Zahl der Niederkünfte nichtamerikanischer Mütter in US-Hospitälern von 2000 bis 2006 um 53 Prozent gestiegen. Eine Studie des Pew Research Centers schätzt, dass die derzeit circa elf Millionen illegalen Einwanderer in den USA ungefähr vier Millionen Kinder haben. Die meisten von ihnen stammen aus Lateinamerika, und die meisten Mütter arbeiteten seit Jahren als Hotelangestellte oder Kindermädchen.

Eine andere Spur verfolgt mittlerweile Grahams Kollege Jeff Sessions. Der Senator aus Alabama argumentiert, Amerikas Gründerväter hätten nicht gewollt, "dass jemand aus Brasilien hierherfliegt, ein Kind bekommt und dann heimfliegt und das Kind ist dann auf ewig amerikanischer Staatsbürger." Auch Sessions kennt seinen Paradefall nur vom Hörensagen. Aber US-Medien sind nun auf Indizien des "Baby-Tourismus" gestoßen: Der Fernsehsender ABC rückte das Hotel Marmara in Manhattan ins Bild, das vorrangig werdenden Mütter aus der Türkei ein Pauschalpaket zur Geburt in New York anbietet: 17.000 Dollar für zwei Monate in einer Hotelsuite, samt Krippe und Geschenk-Set fürs Neugeborene. Die Hotelleitung schätzt, dass ihre zwölf Kundinnen im Jahr 2009 bis zu 30.000 Dollar zusätzlich zahlten, um die Rechnungen des Hospitals zu begleichen.

Graham und Sessions wollen im Herbst nun Hearings im Senat ansetzen und eine Verfassungsdebatte anzetteln. Den Verdacht von Kritikern, die Hearings seien nur PR-Manöver unmittelbar vor der Kongresswahl im November, weisen beide zurück. Die republikanischen Senatoren erhalten nur erstaunlich wenig Rückhalt von rechtsgerichteten Organisationen, die seit Jahren für eine Verschärfung des Einwanderungsrechts kämpfen. Diese Gruppen verweisen auf die hohen Hürden, die die US-Verfassung setzt: Jeder Reform müssen jeweils zwei Drittel des Senats, des Repräsentantenhauses und der Bundesstaaten zustimmen. Sie wollen stattdessen mehr Razzien und schärfere Gesetze gegen alle Ausländer, nicht nur gegen Babies.

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