Im Mai beschrieb die New York Times, wie Obama Bilder und Kurzbiografien von mutmaßlichen Al-Qaida-Kämpfern prüfte. Das Staatsoberhaupt beansprucht für sich das Privileg, höchstpersönlich zu entscheiden, wer auf Amerikas Kill List kommt. Weil das wöchentliche Treffen im Oval Office meist dienstags im Terminplan steht, sprechen Vertraute längst vom "TerrorTuesday". Der Präsident, so versichert sein Sicherheitsberater, wolle seine Generäle wie auch die Anti-Terror-Spezialisten bei der CIA "an der kurzen Leine halten".
Nur, indirekt bedeutet dies auch, dass den Präsidenten bisher keinerlei Regeln binden. Nicht einmal, nachdem er 2011 den Hassprediger Anwar al-Awlaki, einen US-Staatsbürger, in Jemen per Drohnenangriff töten ließ, wollte seine Regierung die Umstände und Rechtsgrundlagen für diesen exekutiven Befehl zum Töten preisgeben. Das Justizministerium, das damals per internem Rechtsgutachten die Attacke rechtfertigte und somit gleichsam ein richterliches Todesurteil ersetzte, weigert sich bis heute, auch nur die Existenz des CIA-Drohnenprogramms über der Arabischen Halbinsel zu bestätigen.
Regierungsmitglieder befürchten Imageschaden
Also gären Zweifel, längst auch in den Reihen der Regierung selbst. Justizminister Eric Holder meldet Bedenken an, und Hillary Clinton, die Außenministerin, warnte vor Monaten bei einer Grundsatzdebatte des Sicherheitskabinetts im Weißen Haus, der Drohnenkrieg beschädige Amerikas Image in der Welt.
Zunehmend umstritten sind vor allem die sogenannten Signature Strikes - also Schläge nicht gegen einzelne, verlässlich identifizierte Personen auf der Kill List, sondern Raketenangriffe auf Unbekannte, die allein durch ihr Verhalten - etwa durch militärische Übungen in einem versteckten Lager - zu Terrorverdächtigen werden.
Sogar das oberste Ziel des Drohnenkriegs scheint unschärfer zu sein denn je: Ursprünglich schossen Predator und Raptor auf Terrorgruppen, die gegen die USA oder gegen US-Truppen am Hindukusch ins Feld zogen. Inzwischen jedoch geht die CIA vom Himmel herab auch gegen islamistische Kämpfer vor, die in Pakistan, Somalia oder Jemen nicht gegen Amerika, sondern gegen die eigene Regierung rebellieren.
Auch diese Aufstandsbekämpfung im Namen fremder Mächte kennt bisher keine klaren Regeln. Es gilt, streng vertraulich, nur das Wort des Weißen Hauses.