US-Drohnenkrieg:Auf Kollisionskurs mit dem Völkerrecht

Drohne vom Typ MQ-1 Predator im Flug

Laut eines Gutachtens des wissenschschaftlichen Dienstes der Bundeswehr hat die Bundesregierung kaum Möglichkeiten gegen US-Drohnenangriffe vorzugehen.

(Foto: dpa)

Die Möglichkeit gegen US-Drohneneinsätze vorzugehen, sind laut eines Gutachtens "vergleichsweise gering". Damit steckt die Bundesregierung in einem Dilemma. Entweder sie verprellt einen engen Verbündeten oder riskiert gegen das Völkerrecht zu verstoßen.

Von John Goetz und Frederik Obermaier

Das Gutachten trägt einen sperrigen Titel: "Ausübung militärischer Gewalt durch ausländische Staaten von Militärbasen" steht auf dem Deckblatt. Es folgen acht Seiten voller juristischer Fachbegriffe, gespickt mit allerlei Fußnoten. Zusammenfassen lassen sie sich mit einem Satz: Die Bundesregierung steckt in einem Dilemma. Entweder sie verprellt einen ihrer engsten Verbündeten oder aber sie riskiert, sich der Beteiligung an einem Völkerrechtsverbrechen schuldig zu machen.

Der Grünenpolitiker Omid Nouripour hat das Gutachten beim wissenschaftlichen Dienst des Bundestags in Auftrag gegeben, nachdem SZ, NDR und WDR vergangenes Jahr erstmals über Deutschlands Rolle im völkerrechtlich umstrittenen Drohnenkrieg berichtet hatten. Angriffe in Somalia werden demnach vom US-Oberkommando Africom in Stuttgart befehligt. Und damit nicht genug: wie die SZ am Donnerstag berichtete, legen neue Recherchen nahe, dass der US-Stützpunkt in Ramstein auch bei tödlichen Drohnenangriffen in Pakistan und Jemen eine zentrale Rolle spielt. Die Daten der ferngesteuerten US-Fluggeräte werden den Recherchen zufolge via Ramstein an die Piloten übermittelt. Auch eine wichtige Analysezentrale für Drohneneinsätze, das sogenannte DGS-4, hat auf der US-Airbase ihren Sitz. Aus Militärdokumenten und dem Gespräch mit einem Ex-Drohnenpiloten geht hervor, dass von dort aus auch tödliche Drohnenangriffe unterstützt werden.

Laut dem auf den 30. Januar 2014 datierten Bundestagsgutachten ist es "unstrittig", dass Deutschland "völkerrechtswidrige Militäroperationen", die "durch ausländische Staaten von deutschem Territorium" aus durchgeführt werden, nicht dulden darf. Sollte das US-Militär einen Terrorverdächtigen "außerhalb eines bewaffneten Konflikts" völkerrechtswidrig per Drohne hinrichten, könnte dies "eine Beteiligung an einem völkerrechtlichen Delikt darstellen", wenn die Bundesregierung davon weiß und nicht dagegen protestiert.

Bundesregierung will neue Berichte zum Thema machen

Bislang hat die Bundesregierung stets auf die Zusicherung Washingtons verwiesen, "dass von amerikanischen Stützpunkten in Deutschland bewaffnete, ferngesteuerte Luftfahrzeuge weder geflogen noch befehligt werden". Regierungssprecher Steffen Seibert kündigte am Freitag aber an, dass die Bundesregierung die neuen Berichte von SZ, NDR und WDR in Gesprächen mit der US-Regierung zum Thema machen wolle.

Glaubt man den Beteuerungen aus Berlin, ist die Air Base Ramstein für die Zuständigen in Deutschland eine Art weißer Fleck, über den man nicht viel mehr weiß, als in Zeitungen zu lesen ist. Ein Verbindungsoffizier der Bundeswehr habe zwar im Februar 2013 das Air and Space Operations Center in Ramstein - eine Art Luftleitzentrale für Drohneneinsätze über Afrika - besucht. Über "operative Aspekte" sei dabei aber nicht gesprochen worden.

Der 1400 Hektar große Stützpunkt Ramstein ist zwar deutsches Staatsgebiet, ohne die Zustimmung des US-Kommandeurs dürfen ihn aber auch deutsche Beamte und Politiker nicht betreten. Darauf hatten sich die deutsche und die amerikanische Regierung in einem 1993 geschlossenen Abkommen geeinigt. Auch die Funk- und Satellitenverbindungen, über die mutmaßlich die Befehle für Drohnenangriffe übermittelt werden, dürfen demnach nicht einfach gestört werden. Auch liege die Strafgerichtsbarkeit über die in Deutschland stationierten GIs bei den USA.

Die Möglichkeiten, die Steuerung von Drohneneinsätzen zu verhindern, seien daher "vergleichsweise gering". Die Bundesregierung könne Protest einlegen und das Thema bei bilateralen Konsultationen ansprechen. Theoretisch gebe es ansonsten nur noch eine Möglichkeit: Die einseitige Kündigung des sogenannten Aufenthaltsvertrags. Die Folgen dieses Schrittes werden in dem Gutachten aber nicht erwähnt: Die fast 40 US-Stützpunkte in der Bundesrepublik müssten schließen - und die deutsch-amerikanischen Beziehungen wären ruiniert.

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