Süddeutsche Zeitung

US-Drohnen-Programm:Der Zynismus des Friedensnobelpreisträgers Obama

Sein Vorgänger Bush ließ Terrorverdächtige verschleppen und foltern, US-Präsident Obama lässt sie gleich töten: Das Drohnen-Programm der US-Regierung ist außer Kontrolle geraten. Der Senat muss die Anhörung des designierten CIA-Chefs Brennan nun zur Abrechnung nutzen.

Ein Kommentar von Nicolas Richter, Washington

Wenn jemand so viele Krebs-Metaphern verwendet wie John Brennan, ist meist Gefahr im Verzug. Brennan ist der Mann für Terrorabwehr im Weißen Haus und vergleicht US-Drohnen mit einem Skalpell: Die fliegenden Roboter orten und töten mutmaßliche Terroristen und sollen deswegen dem Messer ähneln, das ein Geschwür herausschneidet, ohne das gesunde Gewebe zu beschädigen.

Der Vergleich ist schon deswegen unsinnig, weil selbst Terroristen keine Geschwüre sind. Vor allem aber täuscht Brennans Sprachbild über die Genauigkeit seiner Drohnen. Die ferngesteuerten Flugzeuge mögen zwar mit einmaliger Präzision treffen. Allerdings wählen immer noch Menschen die Ziele aus, und die Menschen sind so begeistert von ihrem Werkzeug, dass ihnen der ruhige Minimalismus des Chirurgen längst abhandengekommen ist.

Amerikas Drohnen-Programm ist unter Präsident Barack Obama außer Kontrolle geraten. Die Zahl der Opfer liegt in den Tausenden, unter ihnen etliche Zivilisten, die mit dem Terrornetz al-Qaida nichts verbindet. Zudem fehlt auch im Wortsinn jede Kontrolle dieser Operationen. Noch nicht einmal die Fachausschüsse im Parlament sind genau im Bilde über das, was die Drohnen anrichten und warum. Die juristische Begründung der Angriffe ist ebenso geheim wie die Kriterien, nach denen getötet wird, wer dabei mitredet oder wer im Regierungsapparat verantwortlich ist.

An diesem Donnerstag nun muss Brennan zur Anhörung vor dem Senat erscheinen, weil er künftig den Auslandsgeheimdienst CIA leiten soll. Das Parlament sollte diese Gelegenheit nutzen, um die Regierung mit ihren Widersprüchen zu konfrontieren. Warum töten Drohnen als angeblich letztes Mittel Verdächtige auch dort, wo man sie fangen könnte, etwa in Jemen? Warum töten Drohnen Verdächtige nur deswegen, weil sie sich etwa in einem afghanischen Lager seltsam benehmen, und ohne dass man ihre Namen oder Ziele kennt? Warum soll dies die Sicherheit der USA gewährleisten, wenn nicht einmal bekannt ist, ob die vermeintlichen Terroristen je vorhatten, Amerika überhaupt anzugreifen? Schließlich: Soweit sich Obama bei alledem auf seine Vollmachten im "Krieg" gegen den Terror beruft - wann endet dieser Kriegszustand jemals?

Als er den Friedensnobelpreis annahm, sagte der Präsident, sein Land müsse auch auf dem Schlachtfeld vorbildlich sein. Stattdessen offenbart sein Drohnen-Arsenal, was passiert, wenn die Exekutive machen darf, was sie will. Es liegt sogar nahe, dass sie langfristig gegen ihre Interessen handelt. Erstens wirkt der ständige Drohnen-Terror auf die Bevölkerungen in Pakistan, Somalia oder Jemen befremdend bis traumatisierend - als weiterer Beleg amerikanischer Arroganz. Damit könnten die Drohnen am Ende mehr Terroristen hervorbringen, als sie umbringen.

Zweitens wird das Monopol der USA auf diese Technologie schnell verloren gehen; dann werden sich Regierungen in aller Welt Drohnen leisten können und damit in anderen Ländern spionieren, manipulieren, hinrichten oder terrorisieren. Spätestens dann werden die USA für internationale Regeln werben müssen. Die moralische Autorität, die sie dafür benötigen, drohen sie allerdings gerade zu verlieren.

Drohnen sind auf ihre Art so verführerisch wie jede neue Technik. Aus Sicht der US-Regierung sind sie billig, schonen das Leben der eigenen Leute und können immer und überall zuschlagen; vor allem müssen dann keine mühsamen Gerichtsprozesse gegen Al-Qaida-Verdächtige folgen, wie sie derzeit in Guantanamo stattfinden. Während George W. Bush Terrorverdächtige fangen, foltern und verschleppen ließ, ist sein Nachfolger Obama dazu übergegangen, die Verdächtigen gleich töten zu lassen. Was ist zynischer?

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SZ vom 07.02.2013/sebi
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