Süddeutsche Zeitung

US-Drohnen:Deutschland, ein Tatort

Was bedeutet das Dirigieren der US-Exekutions-Drohnen von Deutschland aus? Entweder die Bundesrepublik ist nicht wirklich souverän - dann ist sie arm dran. Oder Deutschland ist ein williger Helfer bei Straftaten und Menschenrechtsverletzungen. Dann machen sich die Regierenden strafbar.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Es gab noch keine Kampfdrohnen, als 1990 in Moskau der "Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland" geschlossen wurde. Aber der Vertrag hat eine gewisse Bedeutung für den Einsatz der tödlichen US-Waffen, wenn sie, wie eben bekannt wurde, von Deutschland aus dirigiert werden.

Dieser Vertrag von 1990, auch Zwei-plus-Vier-Vertrag genannt, ist kein billiges Stück Papier; es handelt sich um den Vertrag, der die Nachkriegszeit beendet und den Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands geebnet hat. In diesem Vertrag also, den die zwei damaligen deutschen Staaten mit den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs, also mit Frankreich, der Sowjetunion, Großbritannien und den USA, geschlossen haben, bekräftigen Bundesrepublik und DDR gleich am Anfang, "dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird".

Dass von den US-Kampfdrohnen, mit denen in Afrika extralegal Islamisten exekutiert werden, Frieden ausgeht, lässt sich nicht behaupten. Und dass die US-Streitkräfte-Basis in Stuttgart-Möhringen und die US-Basis in Ramstein, wo diese tödlichen Drohneneinsätze geleitet werden, auf deutschem Boden stehen, lässt sich nicht bestreiten. Wie verhält es sich also mit dem vertraglichen Schwur, "dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird"?

Verboten und verfassungswidrig

Nun mag man sagen, dass die Deutschen, nicht aber die Amerikaner diesen Schwur geleistet, dass sich die USA also zu nichts dergleichen verpflichtet haben; und dass in diesem Vertrag schon gar nicht eine deutsche Pflicht etabliert werden sollte, einer der vier Siegermächte bei dubiosen Aktionen auf deutschem Boden in den Arm zu fallen. Mag sein. Die Pflicht ergibt sich aber aus dem Grundgesetz. Dort steht, dass "Handlungen, die geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören", verfassungswidrig sind. Der Satz im Moskauer Vertrag, "dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird", ist die Internationalisierung dieser Verpflichtung.

Im Grundgesetz, Artikel 102, steht auch der eherne Satz: "Die Todesstrafe ist abgeschafft." Es ist verboten und verfassungswidrig, auf deutschem Boden oder von deutschem Boden aus eine Exekution zu vollziehen. Und es ist auch verboten und verfassungswidrig, Strafen ohne Gerichtsverfahren und ohne jedes rechtliche Gehör zu vollstrecken. Diese Verbote binden unmittelbar alle staatliche Gewalt in Deutschland. Und aus dieser Bindung ist kein deutsches Staatsorgan entlassen, wenn es US-Amerikaner sind, die diese Verbote verletzten. Es gibt keine Verträge mehr, die den USA quasistaatliche Reservatrechte in Deutschland verleihen.

Deutschland ist souverän seit 1990, seit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag. Die Reste des Besatzungsstatuts wurden darin aufgehoben, die Gültigkeit des Nato-Truppenstatuts bestätigt. Dieses befreit aber Nato-Truppen in Deutschland nicht von der Einhaltung der deutschen Gesetze und dem Zugriff der deutschen Staatsgewalt. Das Auswärtige Amt hat immer wieder beteuert, dass bei den Aktivitäten der US-Truppen in Deutschland deutsches Recht gelte. De jure ist das so, de facto aber nicht. De facto endet deutsche Souveränität an den Zufahrtsstraßen zu den Einrichtungen der US-Streitkräfte.

Nicht lustig, sondern echt

Das hat sich wiederholt gezeigt. Die USA haben die Basen ihrer Streitkräfte für den völkerrechtswidrigen Krieg gegen Saddam Hussein genutzt. Deutschland hat das geduldet und den Krieg mit Überflugrechten unterstützt. Die USA haben ihre deutschen Stützpunkte für die Geheimtransporte von CIA-Gefangenen in suspekte Lager in Anspruch genommen. Das Dirigieren der US-Exekutions-Drohnen von Deutschland aus setzt nun diesen Rechtswidrigkeiten die Krone auf.

Das alles bedeutet: Entweder die Bundesrepublik ist nicht wirklich souverän und muss also fremdes rechtswidriges Handeln auf deutschem Boden dulden; dann ist sie arm dran - so wie zu Zeiten des Kalten Krieges, als die USA hinter dem Rücken der Bonner Regierung mit anderen Nato-Verbündeten die Lagerung von Atomwaffen in der BRD vereinbarten. Oder die Bundesrepublik ist in voller Souveränität ein williger oder halbwilliger Helfer bei Straftaten und Menschenrechtsverletzungen; dann machen sich die deutschen Regierenden strafbar. Im Recht der Staatenverantwortlichkeit bildet jede unterstützende Beteiligung an einem völkerrechtlichen Unrecht ihrerseits ein völkerrechtliches Delikt.

Einem sogenannten Realpolitiker mag die Vorstellung lustig vorkommen, dass ein deutscher Staatsanwalt in den Kelley Baracks von Stuttgart-Möhringen aufkreuzt, um US-Soldaten vom Regionalkommando Africom als Beschuldigte zu vernehmen. Das ist aber nicht lustig, sondern recht.

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SZ vom 03.06.2013/bero
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