Süddeutsche Zeitung

US-Diplomatin Victoria Nuland:Rasiermesserscharfe Liebe für die Europäer

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Washingtons Europa-Beauftragte Victoria Nuland ist nicht erst seit ihrem derben "Fuck the EU" als Anhängerin des direkten Wortes bekannt. Sie ist konfrontativ, schnell, ungeschützt - und gleichzeitig eine der besten Europa-Kennerinnen der USA.

Von Stefan Kornelius

Victoria Nuland hat ein probates Mittel parat, wenn sie das Heimweh überkommt: Neil Young, am besten Razor Love. Das ist nun allerdings eine aparte Wahl. In dem melancholischen Liebeslied singt Young: "Mit den kleinen Dingen, die du sagst, hast du wirklich meinen Tag gerettet." Und er versichert: "Aber ich vertraue dir. Es ist diese Rasiermesser-Liebe, die sauber schneidet."

Diese rasiermessescharfe Liebe wurde nun der EU zuteil, wenn auch in einem internen und unflätigen Telefonat der amerikanischen Europa-Abteilungsleiterin Nuland. "Fuck you" gehört nicht zum offiziellen Repertoire des amerikanischen diplomatischen Dienstes. Aber verwundert über die Wortwahl ist auch keiner, der mit Nuland schon mal privat gesprochen hat.

"Toria", wie sie von ihren Bekannten und Freunden genannt wird, ist eine Liebhaberin des direkten Wortes. Sie ist konfrontativ, schnell, ungeschützt. Aber sie ist auch die wohl beste Kennerin Europas, die sich in der Washingtoner Regierung auf gehobenem Posten bewegt. Keine sorgt sich so leidenschaftlich und durchsetzungsstark um die Europäische Union. Wenn die Europäer einen Anwalt in der Obama-Administration haben, dann Nuland.

Ihr Mann hat eine ganz eigene Geschichte mit den Europäern

Das höchste Maß an Anerkennung erlebte Nuland am 18. September 2013, als sie im pompösen Benjamin Franklin Room des Washingtoner Außenministeriums ins Amt als Abteilungsleiterin (eigentlich eine stellvertretende Staatssekretärin) für Europa und Eurasien eingeführt wurde. Nicht nur kam Außenminister John Kerry persönlich, um ihr den Amtseid abzunehmen. Die Ehre gaben sich Senatoren, Botschafter aus ganz Europa, prominente Ex-Politiker, darunter der frühere EU-Außenpolitik-Chef Javier Solana und ein beeindruckender Familien-Clan, in dessen Zentrum das ultimative Washingtoner Pärchen steht: Victoria Nuland und ihr Mann Bob Kagan.

Kagan hat natürlich seine ganz eigene Geschichte mit den Europäern, denn es war der konservative US-Publizist, der in der transatlantischen Aufladung nach dem 11. September 2001 den Knüller in der intellektuellen Auseinandersetzung lieferte: Die Amerikaner seien vom Mars, die Europäer von der Venus. Übersetzung: Diese gemeinsame Sache funktioniert nicht.

Das Paar Nuland/Kagan steht für eine politische Spannung, die viele von außen fasziniert beobachten. Nuland ironisierte bei ihrer Einführung: "Mein Kagan. Er ist mein Mars, er ist meine Venus, er ist mein Planet Erde." Richtig aber ist: Zwar hat Nuland auch mal bei Vizepräsident Dick Cheney im Weißen Haus von George W. Bush gearbeitet, aber sie war auch Vertrauensperson und Sprecherin von Hillary Clinton.

In Russland lernte sie Wodka trinken

Nuland startete ihre Karriere als Russland-Expertin - auf einem russischen Fischereiboot im Pazifik, wo sie Wodka trinken lernte. Sie war als Karriere-Diplomatin in Ulan Bator und Moskau stationiert, diente als Nato-Botschafterin und Abrüstungs-Beauftragte. Nach Europa reist sie zurzeit ständig, nicht zuletzt wegen der NSA-Spannungen. Dabei kümmert sie sich auch intensiv um die Feinheiten der Balkan-Politik oder unterstützt die deutsche Regierung in ihrer Nachbarschafts-Politik etwa gegenüber der Republik Moldau. Außenminister Kerry nötigte sie zu einer Reise in die Hauptstadt Chișinău.

Besonders stolz ist Nuland auf eine politische Vokabel, die sie gleich an ihrem ersten Arbeitstag als Europa-Chefin geprägt hat: Es brauche eine "transatlantische Renaissance" auch in der US-Außenpolitik. Offenbar hat sie sich mit ihrer Idee und der sich dahinter verbergenden Politik durchgesetzt. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz freute sich Nuland sichtlich, dass sowohl Kerry wie auch Verteidigungsminister Chuck Hagel die Formulierung von der Renaissance aufgenommen haben.

Was sich freilich dahinter verbirgt, ist noch nicht sichtbar. Renaissance scheint angebracht zu sein, nach all den Spannungen der vergangenen Monate. Nuland selbst ist es, die die Washingtoner Akteure von ihrem Arbeitsgebiet begeistern muss. "Wir brauchen einen neuen Energieschub, Vertrauen, Innovation und Großzügigkeit, die in unseren demokratischen Idealen und Werten wurzeln", beschwor sie die Festversammlung im September. Offenbar bestimmt sie die Fallhöhe dabei selbst.

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Quelle:
SZ vom 08.02.2014
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