US-Demokraten:Mit Leidenschaft für die Vernunftehe

Das Engagement europäischer Diplomaten hat geholfen, die Demokraten vom Atom-Abkommen mit Iran zu überzeugen.

Von Nicolas Richter, Washington

Als gelernter Jurist weiß der US-Senator Chris Coons, dass man schon beim Läuten der Hochzeitsglocken an die mögliche Scheidung denken sollte. Bei der jetzt bevorstehenden Hochzeit zwischen den Erzfeinden USA und Iran gilt das mehr denn je: Dieses Abkommen, die jüngste Einigung im Konflikt um das dubiose iranische Atomprogramm, ist durchsetzt von Misstrauen. "Es ist ein Hochzeitstag, an dem die Braut schreit 'Ich hasse dich und deine Familie', und wo der Bräutigam schreit 'Ich traue dir nicht, du hast mich immer nur betrogen'", sagte Coons im Juli im Senat, "Meinungsverschiedenheiten sind hier unvermeidbar".

Aber trotz aller Bedenken hat Coons nun erklärt, dass er den sogenannten Iran Deal billigt: Demnach unterwirft Teheran sein Atomprogramm strengen internationalen Kontrollen, und die Weltgemeinschaft hebt dafür ihre Sanktionen auf. Wie etliche seiner demokratischen Kollegen ist Senator Coons zu dem Schluss gekommen, dass jede Alternative - mehr Sanktionen oder gar ein Krieg gegen Iran - noch schlimmer wäre, und dass sich die USA völlig isolieren würden. Weil dies inzwischen 34 Senatoren so sehen, hat Präsident Barack Obama jetzt die ersehnte Sperrminorität im Kongress beisammen, um seinen vielleicht größten außenpolitischen Erfolg zu verteidigen. Obwohl die Republikaner den Deal mit ihrer Mehrheit im Parlament zu Fall bringen möchten, kommen sie gegen ein Veto Obamas und das ihn stützende Votum von einem Drittel aller Senatoren nicht mehr an.

Mathematisch also hat Obama die Machtprobe mit dem Parlament fürs Erste gewonnen, aber das bedeutet nicht, dass er das Land von seinem Plan überzeugt hat. 56 Prozent der Amerikaner und eine klare Mehrheit im Parlament lehnen die Vernunftehe mit Teheran ab, und selbst in Obamas eigener Partei hält sich nicht nur der Argwohn gegen den iranischen Gottesstaat, sondern auch der Verdacht, dass Obama den Feinden Amerikas zu weit entgegengekommen ist. Die Kritiker des Präsidenten werden nun den ganzen Monat über diverse Bühnen bespielen: Im US-Kongress werden die Republikaner (wenn auch vergeblich) gegen den Deal stimmen, Ende September wird der israelische Premier Benjamin Netanjahu vor der UN-Generalversammlung sprechen und Obama wie schon so oft vorwerfen, Iran leichtfertig zu unterschätzen und damit die Existenz Israels aufs Spiel zu setzen.

US-Demokraten: Wirbt unermüdlich für den Atom-Vertrag mit Teheran: Der US-Außenminister John Kerry während einer Rede im National Constitution Center in Philadelphia.

Wirbt unermüdlich für den Atom-Vertrag mit Teheran: Der US-Außenminister John Kerry während einer Rede im National Constitution Center in Philadelphia.

(Foto: Matt Slocum/AP)

Im Sommer sah es lange so aus, als könne der Widerstand im Kongress das über Monate ausgehandelte Abkommen doch noch zu Fall bringen. Viele der unentschlossenen Senatoren ließen sich Zeit mit einem Bekenntnis zum Präsidenten, und die einflussreiche pro-israelische Lobbygruppe Aipac machte mit viel Personal und Geld Stimmung gegen den Deal. Die jüdische Organisation "World Values Network" warnte den Senator Cory Booker: Sollte er das Abkommen nicht ablehnen, wäre er verantwortlich dafür, dass "iranische Atombomben Millionen Amerikaner umbringen". Der Sommer ist allgemein eine gefährliche Zeit für umstrittene präsidentielle Projekte: Abgeordnete und Senatoren sind in ihren Wahlkreisen, und wenn das Volk zornig ist, bekommen sie es unmittelbar mit.

Nicht allen war klar gewesen, dass ein Nein aus den USA auch die Verbündeten bloßstellt

Aber der Geschäftsführer der demokratischen Fraktion im US-Senat, Richard Durbin, hatte vorgesorgt, und zu seinen engsten Verbündeten gehörte diesmal ein halbes Dutzend Ausländer. Am 4. August erschienen die Botschafter Großbritanniens, Frankreichs, Deutschlands, Russlands und Chinas im Parlament, um vor etwa 26 demokratischen Senatoren zu sprechen. In seltener Einmütigkeit mit seinen westeuropäischen Kollegen versicherte Sergej Kisljak, der Mann aus Moskau, dass die Internationale Atomenergie-Agentur die iranischen Anlagen streng überwachen werde. Die US-Senatoren waren beeindruckt. Nicht allen war klar gewesen, dass dies nicht bloß ein Deal zwischen Teheran und Washington allein ist, sondern aller Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat, und dass ein Nein aus den USA nicht nur die Iraner treffen, sondern auch die engsten Verbündeten bloßstellen würde.

Die Ausländer setzten ihre diplomatische Intervention den ganzen Monat lang fort. Mal erklärte der deutsche Vize-Botschafter Philipp Ackermann, dass es ein "Albtraum" wäre, wenn der Kongress die so mühsam erzielte Einigung gefährden sollte, und dass niemand in Europa sich so sehr um die Sicherheit Israels sorge wie die Bundesrepublik. Mal lud der britische Botschafter Peter Westmacott die Mitarbeiter demokratischer Senatoren zum Abendessen ein und ging von Tisch zu Tisch, um Fragen zu beantworten. Mal bat der demokratische Anführer Durbin einzelne Diplomaten, diesen oder jenen Senator persönlich zu überzeugen. Manchmal endeten diese Gespräche mit der Frage: "Sagen Sie, ist das jetzt ein guter Deal oder nicht?"

U.S. Secretary of State John Kerry Delivers Speech On Nuclear Agreement With Iran

Am Ende hatten 34 Demokraten das Gefühl, dass der Deal das geringste Übel wäre.

(Foto: Mark Makela/AFP)

Am Ende hatten zumindest 34 Demokraten das Gefühl, dass der Deal vermutlich das geringere Übel wäre. Barack Obama und sein Außenminister John Kerry mögen unter dem Verdacht stehen, den Deal so sehr zu wollen, dass sie zu leichtsinnigen Zugeständnissen bereit waren. Aber das gute Zureden der Europäer dürfte geholfen haben, die Bedenken zu zerstreuen. Der Senator Coons zum Beispiel sagt, ihm sei vor allem diese Botschaft der Europäer in Erinnerung geblieben: Ein besserer Deal als dieser ist nicht zu holen, und was auch immer der US-Kongress im Herbst beschließt, die Europäer werden ihre Sanktionen gegen Iran auf jeden Fall aufheben.

Anders als die Demokraten waren die Republikaner für diese Argumente nicht zu erreichen. Obwohl die ausländischen Diplomaten auch ihnen Gespräche angeboten haben, zeigten sie kein Interesse. Die Partei hatte sich ihre Meinung schon gebildet, und die Kandidaten für die Präsidentschaft überbieten sich in Kritik. Donald Trump etwa sagt, "selbst ein Baby" hätte einen besseren Deal aushandeln können. Am Mittwoch wird er zu Teilnehmern einer Anti-Iran-Demonstration auf der Mall in Washington sprechen. Seine Parteifreunde im Parlament arbeiten derweil schon an Plänen, doch noch neue Sanktionen gegen Iran zu verhängen und die Annäherung so sehr zu sabotieren wie möglich.

Die Verbündeten Obamas dagegen hoffen, dass sie sogar mehr Senatoren zusammenbringen als 34. Mit 41 Senatoren nämlich kann man per "Filibuster" verhindern, dass über ein Gesetz oder eine Resolution abgestimmt wird. Dies hätte zwei Vorteile: Erstens würde man es Obama ersparen, dass er ein Veto einlegen muss. Zweitens stünde die Zustimmung der USA zum Iran-Deal definitiv fest, bevor Ende September die UN-Generalversammlung in New York beginnt. Netanjahus Kritik hätte dann weniger Gewicht, und es wäre das erste Mal seit Langem, dass alle Veto-Mächte einmal wieder gemeinsam eine internationale Krise gelöst hätten, auch wenn es nur für eine Vernunftehe gereicht hat.

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