Debatte der US-Demokraten:"Welches Land der Welt vertraut jetzt noch dem Wort des US-Präsidenten?"

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Zwei demokratische Präsidentschaftskandidaten: Joe Biden, der ehemalige Vizepräsident, und Elizabeth Warren, Senatorin aus Massachusetts. (Foto: AFP)
  • Die demokratischen Präsidentschaftskandidaten stehen geschlossen hinter der Entscheidung, ein Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Trump einzuleiten.
  • Die Frage aber, ob man mit einer Politik der großen Pläne oder der kleinen Schritte gegen Trump antreten solle, spaltet die Bewerber.
  • Für die vielleicht größte Überraschung sorgt Bernie Sanders: Erst vor zwei Wochen hatte er einen Herzinfarkt, bei der TV-Debatte aber stand er fit auf der Bühne.

Von Alan Cassidy, Washington

Die entscheidende Frage stellte der Moderator von CNN erst kurz vor Schluss, nach mehr als zweieinhalb Stunden TV-Debatte: Revolution oder Evolution? Soll der Präsidentschaftskandidat der Demokraten, der letztlich gegen Donald Trump antreten wird, für große Pläne einstehen, für einen tiefgreifenden Wandel in Politik und Wirtschaft? Oder für kleinere, pragmatische Schritte, die sich dafür eher in die Praxis umsetzen lassen? Das ist die Frage, die das Bewerberfeld der Demokraten spaltet - und besonders ihr führendes Trio.

Auf der Seite der selbsternannten Revolutionäre stehen die Senatoren Elizabeth Warren und Bernie Sanders, auf der anderen der frühere Vizepräsident Joe Biden. Nicht für alle endete der Abend gleich gut. Für die vielleicht größte Überraschung sorgte dabei Sanders. Erst vor zwei Wochen war der 78-Jährige mit einem Herzinfarkt in ein Krankenhaus eingeliefert worden, musste seine Wahlkampfauftritte absagen. Weil er in den Umfragen schon zuvor an Boden gegenüber Warren verloren hatte, mit der er um die Wähler des linken Flügels kämpft, hatten viele ihn bereits abgeschrieben.

In der gestrigen Debatte machte Sanders allerdings einen erstaunlich fitten Eindruck. "Ich fühle mich großartig", sagte er auf die Frage einer Moderatorin. Sie solle doch zu seiner Wahlkampfveranstaltung kommen, die er demnächst in New York abhalte. Da könne sie sich von seiner Stehkraft überzeugen. "Es wird da auch einen besonderen Gast geben", kündigte Sanders an. Noch während die Debatte im Fernsehen lief, sickerte über die Washington Post durch, um wen es sich bei diesem "besonderen Gast" handelt: Alexandria Ocasio-Cortez, die junge Kongressabgeordnete der Demokraten aus New York, die in kurzer Zeit eine der einflussreichsten Stimmen des linken Flügels geworden ist. Dass Ocasio-Cortez Sanders nun ihre Unterstützung ausspricht, und dies zu einem Zeitpunkt, wo das Rennen der Demokraten noch so offen ist, war nicht erwartet worden. Für Sanders ist es ein Wahlkampfgeschenk zum richtigen Zeitpunkt.

Die Debatte war aber auch ein Beleg dafür, dass Warren inzwischen bei vielen Demokraten als Spitzenreiterin gilt. Sie sprach von allen zwölf Kandidaten auf der Bühne am längsten, gegen sie richteten sich die meisten Angriffe ihrer Konkurrenten, und es waren ihre Vorschläge aus dem Wahlkampf, die in der Diskussion ausgiebig verhandelt wurden: die Vermögensteuer für Superreiche. Die Zerschlagung der Technologiekonzerne Facebook, Google und Amazon. Die Einführung einer öffentlichen Krankenversicherung. Nicht immer sah Warren dabei gut aus. Doch indem die anderen Demokraten über ihre Pläne sprachen, gab die ehemalige Harvard-Professorin auch dann die Themen vor, wenn sie selbst gar nicht redete.

Es war natürlich Biden, der Warren und Sanders dafür kritisierte, dass ihre Pläne nicht umsetzbar seien: zu teuer, zu radikal, um dafür im Kongress Mehrheiten zu finden. "Ihre Visionen klingen für viele Leute attraktiv", sagte Biden. "Aber ich bin der Einzige auf dieser Bühne, der tatsächlich auch große Dinge in die Tat umgesetzt hat." Der 76-Jährige, der einmal mehr durch viele seiner Statements stolperte, verwies damit auf seine lange Karriere als Senator und Vizepräsident, in der er an wichtigen Gesetzen beteiligt war. Doch dass die vielen Jahre in Washington Biden eben auch verwundbar gemacht haben, zeigte die Replik von Sanders: "Du hast auch den desaströsen Krieg im Irak umgesetzt. Du hast ein Insolvenzgesetz umgesetzt, dass die Mittelschicht in ganz Amerika beschädigt."

Warren sagte, dass auch niemand geglaubt habe, dass es ihr gelingen würde, nach der Finanzkrise eine Behörde für Verbraucherschutz aufzubauen. "All die Genies in Washington sagten, damit kommst du nie durch." Biden reagierte hier einmal blitzschnell, als er zu Warren sagte, dass er es gewesen sei, der ihr im Senat die nötigen Stimmen für die Behörde verschafft habe - einen Einwand, den Warren ignorierte. Letztlich gehe es darum: "Ich weiß, was kaputt ist, ich weiß, wie wir es beheben können, und ja, ich werde da rausgehen und dafür kämpfen."

Vom Rest der Debatte - und von den übrigen Bewerbern - bleiben wohl am ehesten Amy Klobuchar und Pete Buttigieg in Erinnerung. Die Senatorin aus Minnesota zählt ebenfalls zum moderaten Flügel, ihr gelang es besser als Biden, Schwächen in den Plänen ihrer linken Konkurrenten aufzuzeigen. Buttigieg, der Bürgermeister der Kleinstadt South Bend, Indiana, fiel besonders beim einzigen außenpolitischen Thema auf, das verhandelt wurde: dem überhasteten Abzug der US-Truppen aus Syrien. Buttigieg war vor einigen Jahren als Soldat in Afghanistan stationiert. Viele Mitglieder der Streitkräfte schämten sich für die Entscheidung Trumps, sagte er.

Auch alle anderen Demokraten kritisierten Trumps Syrienpolitik scharf. Sie sprachen von einem Verrat an den Kurden, die an der Seite der USA gegen den Islamischen Staat gekämpft hatten, und davon, dass sie ihre Glaubwürdigkeit verspielte. "Welches Land der Welt vertraut jetzt noch dem Wort des US-Präsidenten?", fragte Sanders, kein Freund von militärischen Interventionen. Zu einem gereizten Schlagabtausch kam es, als die Abgeordnete Tulsi Gabbard ihre langjährige Kritik an der US-Außenpolitik wiederholte. Dass nun in Syrien ein neuer Krieg ausgebrochen sei, sei die Folge des "Regimewechsel-Kriegs", den Amerika dort geführt habe. "Das ist kreuzfalsch", konterte Buttigieg. Das jetzige Blutvergießen in Syrien sei nicht die Folge der US-Präsenz in der Region, sondern des Umstands, dass die USA ihre Soldaten abrupt abgezogen hätten. "Wenn wir so tun, als gebe es nur die Wahl zwischen endlosen Kriegen und totaler Isolation, begeben wir uns auf einen gefährlichen Pfad."

Weniger überraschend dafür die geschlossene Haltung, die die Demokraten zum Impeachment-Verfahren gegen Trump an den Tag legten, das die Partei im Kongress eingeleitet hat. Trump sei "der korrupteste Präsident aller Zeiten", sagte gut die Hälfte der Kandidaten auf entsprechende Fragen der Moderatoren, er verdiene eine Amtsenthebung. Ob Revolution oder Evolution, ob progressiv oder moderat: Das spielte dann keine Rolle mehr.

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