US-Demokraten 2020:Gegen Trump. Aber was noch?

US-Demokraten 2020: Führende Demokraten gegen Trump (von links oben im Uhrzeigersinn in der Web-Ansicht: Cory Booker, Elizabeth Warren, Kamala Harris, Joe Biden, Bernie Sanders (derzeit parteilos), Beto O'Rourke, Michael Avenatti und Julian Castro.

Führende Demokraten gegen Trump (von links oben im Uhrzeigersinn in der Web-Ansicht: Cory Booker, Elizabeth Warren, Kamala Harris, Joe Biden, Bernie Sanders (derzeit parteilos), Beto O'Rourke, Michael Avenatti und Julian Castro.

(Foto: AP/Reuters)
  • Der Midterm-Wahlkampf 2018 lässt bereits mögliche Strategien der Demokraten im Präsidentschaftswahljahr 2020 erkennen.
  • Die Partei rückt programmatisch nach links. Die Kandidaten nur teilweise.
  • Einige Positionen sind noch umstritten und könnten zum Gegenstand eines parteiinternen Lagerkampfs werden.

Von Johannes Kuhn, Austin

Wenn die Vereinigten Staaten am Morgen des 7. November aufwachen, wissen sie, wer künftig die Mehrheit im Kongress hat. Und es wird den Bewohnern auch dämmern, dass der Wahlkampf nicht zu Ende ist: Am Tag nach den Halbzeitwahlen richtet sich traditionell der Blick zwei Jahre voraus - auf die Präsidentschaftswahl im November 2020.

Damit rücken natürlich die Demokraten in den Mittelpunkt. Im Herbstwahlkampf 2018 lautet ihre Botschaft sinngemäß "Gegen Trump, für Anstand". Das wird sich auch die kommenden zwei Jahre nicht ändern. Doch wie soll die Partei diejenigen überzeugen, die sie nicht alleine wegen antipräsidialer Gefühle wählen würden? Die vergangenen Monate haben Aufschluss über Bewegungen und Lücken in der Partei gegeben.

1. Offensiver nach links, gewagtere Versprechen

In den vergangenen Monaten machte die politische Linke in den USA Schlagzeilen: Bernie Sanders lieferte sich eine öffentlichkeitswirksame Social-Media-Schlacht mit Amazon. Der Senator kritisierte den Konzern dafür, staatliche Subventionen zu erhalten, während viele Mitarbeiter auf Essensmarken angewiesen seien. Er drohte mit einem Gesetz, diese Sozialleistungen künftig in Form einer Extra-Steuer in Rechnung zu stellen. Amazon lenkte schließlich ein und hob den Mindestlohn auf 15 Dollar pro Stunde an.

Kamala Harris, demokratische Senatorin aus Kalifornien und eine mögliche Präsidentschaftskandidatin für 2020, fordert Steuererleichterungen für Bürger, die mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für Miete zahlen. Elizabeth Warren, Senatorin aus Massachusetts und ebenfalls für 2020 im Rennen, will Konzerne verpflichten, 40 Prozent Arbeitnehmervertreter in ihre Aufsichtsräte aufzunehmen (was in den arbeitgeberfreundlichen USA eine Revolution wäre). Damit setzen die Demokraten Sozial- und Wirtschaftsthemen, ohne die wirtschaftliche Lage selbst zu thematisieren - denn die ist unter Trump sehr gut.

Ein weiterer Vorschlag ist die Abschaffung der Abschiebebehörde ICE. Rein politik-strategisch ist das insofern riskant, als Trump Einwanderung ohnehin zum Thema machen wird und der Grenzschutz ein Thema ist, das die Republikaner mehr als die Demokraten mobilisiert - weshalb konkrete Alternativpläne derzeit auch noch fehlen.

"Ich habe immer geglaubt, dass es gefährlich ist, große Versprechen zu machen, wenn du keine Ahnung hast, wie du sie einlöst", schrieb Hillary Clinton in ihrer Wahlkampf-Autobiografie. "Wenn du sie nicht umsetzt, werden die Menschen noch zynischer über die Regierung urteilen." Es deutet sich an, dass die Zeiten vorsichtiger Versprechen bei den Demokraten vorbei sind und gerade in den Vorwahlen große Reformvorhaben vorgestellt werden. Ein Slogan wie "Ein besserer Deal", mit dem die Kongress-Demokraten vergangenes Jahr kaum punkten konnten, genügt nicht mehr.

2. Gesundheit rückt in den Fokus - aber spielt das 2020 eine Rolle?

123 demokratische Kandidaten für das Repräsentantenhaus sowie einige wichtige Senatoren unterstützen die Forderung nach "Medicare for all", also einen Ausbau der staatlichen Rolle in der Gesundheitsversicherung. Die republikanischen Rufe vom "Medizin-Sozialismus" folgen prompt, doch die Demokraten glauben, damit nahe an der Alltagserfahrung vieler Menschen zu sein: Gesundheitskosten sind hoch, intransparent und machen den Menschen viel zu viele Sorgen. Ähnlich argumentieren die Republikaner seit Jahren, doch während die Konservativen das Gesundheitssystem völlig dem Markt überlassen wollen, wollen die Demokraten eine stärkere Rolle des Staats.

Wie das im Detail aussehen wird, ist allerdings noch unklar - auch, weil Demokraten damit sofort Angriffsfläche bieten würden. Ein völliger Umbau des Gesundheitssystems auf ein vorwiegend staatliches Fundament gilt als schwer umsetzbar; eine Möglichkeit für die Bürger, sich in das staatliche System "Medicare" einzukaufen, wäre einfacher. Beides ginge weit über das hinaus, was einst Barack Obama mit seiner Gesundheitsreform wagte, die stark auf die Bedürfnisse privater Versicherungsfirmen (die etwa fünf Millionen US-Bürger beschäftigen) Rücksicht nahm.

Seitdem die Konservativen Ende 2017 "Obamacare" abschaffen wollten, ist die Reform vergleichsweise beliebt. Auch die Preissteigerungen, von der Trump-Regierung durch Klausel-Streichungen angetrieben, werden nicht mehr zwangsläufig dem System selbst angelastet. Allerdings gibt es Zweifel, ob die Demokraten damit neben der eigenen Basis auch den moderaten Teil und Wechselwähler mobilisieren können. "Die Wähler sind schlau genug zu wissen, dass 'Medicare für alle' nicht passieren wird. Nicht jetzt, vielleicht niemals", sagte der demokratische Demoskop John Anzalone zu Politico.

3. Die offene Strategiefrage: Alle 50?

In den Obama-Jahren hatte sich eine Strategie herauskristallisiert, die maßgeblich die Entwicklung der Partei beeinflusst hat: Die Demokraten konzentrierten sich auf sichere "blaue" Bundesstaaten und investierten Personal und Geld, um ihre Basis in Wechselwähler-Staaten zu erweitern. Die Folge: In einigen konservativ geführten Bundesstaaten waren die Demokraten quasi nicht mehr existent.

Die Halbzeitwahlen signalisieren, dass sich dies ändert: In allen 435 Repräsentantenhaus-Wahlbezirken konnten die Demokraten Kandidaten stellen, wenn auch viele davon keine Aussichten auf einen Sitz haben. In allen 50 Bundesstaaten zumindest theoretisch wieder wettbewerbsfähig sein zu wollen, wäre auch eine Richtungsentscheidung zugunsten einer eher moderat-zentristischen Richtung.

Die Kandidaten sind so unterschiedlich wie nie zuvor

Tatsächlich machte der linke Flügel mit Ausnahmeerscheinungen wie Alexandria Ocasio-Cortez und den programmatischen Initiativen (siehe oben) einige Schlagzeilen, bei den Vorwahlen aber siegten die von der moderaten "New Democrat Coalition" oder der Partei-Organisation unterstützte Kandidaten in 71 von 78 Fällen. Von einem Linksruck kann also keine Rede sein - aber auch nicht von einer Dominanz des klassischen "Establishments".

Unter dem Strich ist die politische Ausrichtung der demokratischen Kandidaten so unterschiedlich wie noch nie - genau wie das Personal: In diesem Jahr treten 256 Frauen für den US-Kongress an, dazu stellen sich landesweit mehr Muslime, Homosexuelle und Latinos als sonst zur Wahl (Afroamerikaner waren ohnehin immer gut vertreten). Außergewöhnlich viele Kriegsveteranen, Männer wie Frauen, kandidieren für Ämter.

4. Der Generationswechsel beginnt, aber langsam

Wer nach möglichen Präsidentschaftskandidaten für 2020 fragt, erhält die Namen alter Bekannter zur Antwort: Joe Biden befasst sich intensiv mit dem Thema, der derzeit parteilose Bernie Sanders hat ohnehin niemals mit dem Wahlkampf aufgehört. Elizabeth Warren werden als Frau, soziales Gewissen und gewandter Trump-Gegnerin gute Vorwahl-Chancen prophezeit. Doch Sanders ist 77, Biden 75 und Warren 69 Jahre alt. Die Führungsriege der Demokraten im Kongress gehört einer ähnlichen Alterskohorte an.

Der Generationenwechsel zeigt sich mit möglichen Präsidentschaftskandidaten wie Kamala Harris, Cory Booker (Senator aus New Jersey) oder dem früheren Bürgermeister von San Antonio und Obama-Minister Julian Castro. Dazu wollen Kandidaten wie Terry McAuliffe, der ehemalige Gouverneur Virginias, John Hickenlooper, versöhnender Gouverneur von Colorado, oder Eric Garcetti, Bürgermeister von Los Angeles, sich als kluge, überparteiliche Regionalpolitiker für Höheres empfehlen. Und auch Prominente wie Stormy-Daniels-Anwalt Michael Avenatti oder Disney-Chef Bob Iger werden genannt, da sich auch die Demokraten nicht mehr sicher sind, ob Berufspolitiker gegen Trump ausreichen. Am Ende könnten nahezu 20 Kandidaten in den Vorwahlen antreten.

5. Die unbeantwortete Frage nach den Loyalitäten

Die Demokraten als Partei der Bürger, die Republikaner als Partei der Wirtschaft: Diese Botschaft funktioniert nicht so einfach. Es waren die Demokraten, die Ronald Reagans Werk fortsetzten und sich auf den "Dritten Weg" der Marktfreundlichkeit und Freihandel begaben. Nun haben sie ein Authentizitätsproblem, das sich in Regionen wie Pennsylvania oder Wisconsin zeigt, die stark von Industriearbeitsplätzen abhängig sind.

In den USA kommt verschärfend hinzu, dass beide Parteien auf Großspender angewiesen sind - und sich damit stets die Frage stellt, wem gegenüber die Politik loyal ist. Der Obama-Regierung hängt immer noch nach, die Wall-Street-Verantwortlichen nach der Finanzkrise allzu sanft behandelt zu haben.

Kampagnen wie die des texanischen Senatskandidaten Beto O'Rourke, der sich durch Kleinspender finanziert, erhalten deshalb besonderen Rückenwind und Aufmerksamkeit von der Basis. Könnte dies das Vertrauen der Wähler zurückgewinnen? Und die politische Linke fragt, wie sich denn garantieren lasse, dass ein demokratischer Präsident nicht Reform verspricht, um es dann bei Reförmchen zu belassen.

In den Zwischenwahlen, die ein Votum über Trump sind, muss sich die Partei hier noch nicht klar positionieren. Vor 2020 aber dürfte der interne Konflikt jedoch offen zu erleben sein - wenn der amtierende US-Präsident nicht erneut die Aufmerksamkeit völlig auf sich zieht.

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