Süddeutsche Zeitung

US-Debatte über Snowden:"Die Antwort lautet: keine Gnade"

Während Deutschland über Asyl für Edward Snowden diskutiert, lassen wichtige US-Politiker keine Zweifel: Der NSA-Whistleblower müsse sich für seine Enthüllungen vor Gericht verantworten. Die deutsche Debatte ignoriert Washington offiziell noch und will stattdessen Vertrauen wiederherstellen.

Keine Gnade für Edward Snowden: Das ist die deutliche Botschaft, die führende US-Politiker in diesen Tagen aussenden. Während Deutschland über ein mögliches Asyl für den NSA-Whistleblower diskutiert, ist in Washington keine Nachsicht mit dem 30-Jährigen zu erwarten.

Snowden hatte in einem offenen Brief die internationale Gemeinschaft darum gebeten, die USA zu überzeugen, die Spionagevorwürfe gegen ihn fallen zu lassen. "Die Wahrheit auszusprechen, ist kein Verbrechen", hatte er geschrieben.

Das Weiße Haus antwortete am Sonntag in Gestalt von Obama-Berater Dan Pfeiffer: "Mr. Snowden hat gegen amerikanische Gesetze verstoßen. Er sollte in die USA zurückkehren und sich der Justiz stellen."

Ähnlich äußerte sich Dianne Feinstein, die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Senat. Die einflussreiche Demokratin aus Kalifornien hatte nach der Enthüllung der Überwachung von Bundeskanzlerin Angela Merkel die NSA erstmals deutlich kritisiert.

Auf die Frage, ob Snowden nicht aufgrund der angestoßenen Debatte Milde verdient habe, erklärte sie in der Talkshow "Face The Nation", dieser habe sich jederzeit mit seinem Wissen an den Kongress wenden können. "Wir hätten ihn getroffen und uns die Informationen angesehen." So aber habe er dem Land erheblich geschadet. "Die Antwort lautet deshalb: keine Gnade."

Noch schärfer klingen die Aussagen von Mike Rogers, dem Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus. Der Republikaner erklärte in der gleichen Talkshow, Gnade für Snowden sei eine "schreckliche Vorstellung".

Rogers forderte den ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter ebenfalls auf, sich zu stellen. "Wenn er glaubt, dass es Schwächen im System gibt, auf die er hinweisen möchte, dann macht man das nicht, indem man ein Verbrechen begeht, das die Leben von Soldaten an Orten wie Afghanistan in Gefahr bringt." Drei Terrororganisationen hätten bereits auf die Enthüllungen reagiert und ihre Kommunikationstechniken angepasst.

Die US-Justiz wirft Snowden Verstöße gegen das Spionagegesetz von 1917 und die Weitergabe von Regierungsgeheimnissen vor. Sollte er verurteilt werden, kann der amerikanische Präsident die Strafe theoretisch aufheben.

Snowden argumentiert, dass seine Enthüllungen eine wichtige Debatte ausgelöst haben, er folglich ohnehin als Whistleblower straffrei bleiben solle. In seinem Brief heißt es: "Anstatt Schaden anzurichten, wird jetzt der Nutzen dieses neuen öffentlichen Wissens für die Gesellschaft klar, weil nun Reformen in der Politik, bei der Aufsicht und bei den Gesetzen vorgeschlagen werden."

Wäre Snowden gehört worden?

Snowden hatte allerdings nicht versucht, zunächst über offizielle Stellen auf seine Bedenken aufmerksam zu machen. Ob er dabei jedoch wirklich angehört worden wäre, wie Feinstein behauptet, ist unklar. Der NSA-Angestellte Thomas Drake hatte 2005 Vorgesetzte und den Kongress auf Missmanagement in der Behörde hingewiesen, war aber auf taube Ohren gestoßen und hatte sich deshalb mit seinen Informationen an die Medien gewandt. Er wurde später wegen Spionage angeklagt und letztlich zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Sein Fall gilt als ein Beleg für die These, dass die US-Regierung inzwischen die meisten Formen der Weitergabe geheimer Informationen als Verrat sieht und hart verfolgt.

Zur deutschen Debatte über ein mögliches Asyl für Edward Snowden äußern sich US-Politiker bislang nicht explizit. Eine Aufnahme des NSA-Whistleblowers in Deutschland, so die Ansicht der meisten Beobachter, würde als großer Affront gewertet werden.

Zunächst scheint in Washington die Wiederherstellung des Vertrauens im Mittelpunkt zu stehen: Wie Spiegel Online berichtet, soll eine Gruppe hochrangiger US-Senatoren und Abgeordneter in den kommenden Monaten zu einer Versöhnungstour durch Europa aufbrechen. Auch Deutschland, das gerade über ein No-Spy-Abkommen mit den USA verhandelt, soll ein Ziel sein. Wer zu der Delegation gehören wird, ist noch unklar.

Senat und Repräsentantenhaus werden sich zudem demnächst mit einem Gesetzentwurf befassen, der für größere Transparenz bei den Aktivitäten der NSA sorgen soll. Der "USA Freedom Act" betrifft allerdings nur die Sammlung von Daten amerikanischer Staatsbürger, nicht die geheimdienstlichen Aktivitäten im Ausland.

Linktipp: Mike Rogers argumentierte gegen die Aufgabe von Überwachungsmöglichkeiten auch damit, dass die USA dies 1929 getan hätten - und in der Folge der Zweite Weltkrieg ausgebrochen sei. Mit dieser These befasst sich Patrick Bahners bei FAZ.net.

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