Sie tanzt den "Mommy Dance" mit Late-Night-Talker Jimmy Fallon und überrascht Hollywood mit einem Gastauftritt bei der Oscar-Verleihung: Michelle Obama genießt das Rampenlicht und ist beliebter als je zuvor. Ausdauernd kämpft sie gegen die Fettleibigkeit der Amerikaner und unterstützt die Agenda ihres Mannes. Doch einige US-Medien spekulieren über eine Polit-Karriere der First Lady. Eine mögliche Gelegenheit wäre bereits 2016.
Der Vergleich ist naheliegend: Sie ist die bestens ausgebildete und mit den Nickligkeiten des Washingtoner Politbetriebs vertraute Frau eines relativ jungen US-Präsidenten, die bei den Bürgern viel beliebter ist als ihr Ehemann. Sie ist ehrgeizig und will ihre Bekanntheit nutzen, um sich für die Themen einzusetzen, die ihr wichtig sind. So war es bei Hillary Clinton und so könnte es auch bei Michelle Obama sein.
Seit die First Lady am Sonntagabend die Fernsehzuschauer weltweit mit ihrem strahlenden Überraschungsauftritt bei der Oscar-Verleihung verblüffte und mit ihren nackten Oberarmen die Zensoren der halbamtlichen iranischen Nachrichtenagentur Farsa erschreckte, wird in den US-Medien über die Motive der 49-Jährigen spekuliert. Strebt die zweifache Mutter nach dem Auszug ihres Mannes aus dem Weißen Haus eine eigene Karriere an?
Michelle gibt sich auf Twitter als normale Amerikanerin
Gewiss: Die Juristin hat einen solchen Schritt stets ausgeschlossen, doch das Spekulieren und Orakeln lassen sich die Blogger, TV-Experten und Kolumnisten nicht verbieten. "Michelle ist die nächste Hillary", titelt das Internet-Magazin Salon.com und vertritt die These, dass Amerika von der First Lady gar nicht genug bekommen könne ( Details hier). Sie setze sich mit großer Leidenschaft für Veteranen und deren Familien ein und kämpfe mit ihrer Kampagne "Let's move" gegen die Fettleibigkeit amerikanischer Kinder. Um den dritten Geburtstag des Programms zu feiern, ging sie in die Late-Night-Show von Jimmy Fallon. Ihr Tanz an der Seite des Talkers wurde binnen weniger Minuten zum Hit bei Youtube.
Über ihren Twitter-Account präsentiert sich die Gattin des Präsidenten als vorbildliche Mutter und normale Amerikanerin: Wie ihre Landsleute sah sie natürlich den Super-Bowl und bewunderte den Auftritt von Beyoncé in der Halbzeitpause.
Beobachter führen gern an, dass zwei Drittel aller Amerikaner eine gute Meinung von Michelle Obama haben: Damit ist die First Lady heute beliebter, als es Hillary Clinton jemals war. Zudem hat sie sich im Wahlkampf und auf dem Parteitag der Demokraten in Charlotte als hervorragende Rednerin präsentiert.
Ein Sprung ins Kapitol - analog zu Hillary Clintons Einzug in den Senat im Jahr 2000 - wäre bereits 2016 möglich, wenn die zweite Amtszeit von Barack Obama endet: Einer Umfrage vom Mai 2012 zufolge würde Michelle in ihrer Heimat Illinois den Republikaner Mark Kirk, der jüngst einen Schlaganfall erlitten hat, klar besiegen. Die Unterstützung vieler Promis hätte sie außerdem: Schauspieler Samuel L. Jackson schwärmte in Charlotte von Superwoman Michelle: "Sie könnte Richterin am Supreme Court werden. Sie könnte Präsidentin werden und Geschichte schreiben."
Sollte sich Michelle Obama zu einer eigenen Politik-Karriere entschließen, müsste sie sich zu umstrittenen Sachverhalten wie Abtreibung, Gleichstellung von Homosexuellen oder Klimawandel äußern - wie ihre Vorgängerinnen hat sie sich bisher meist überparteilich gegeben. Und selbstredend würde ihr aus den konservativen Medien ein kräftiger Wind entgegen blasen.
Ihre Auftritte in TV-Shows ( bei Ellen DeGeneres machte sie Liegestütze) werden stets verspottet und nicht nur die Bloggerin Michelle Malkin sah in der Live-Schalte zur Oscar-Verleihung eine Dankeschön-Geste der First Lady an das liberale Hollywood, das ihrem Mann so viele Millionen gespendet hat. Amerika brauche keine Trennung zwischen Staat und Kirche, sondern zwischen Hollywood und Staat.
Langzeitstrategie für Michelle Obama
Katherine Jellison, die an der Ohio University über First Ladies forscht, sagte der Washington Post, sie habe beim Oscar-Auftritt zum ersten Mal den Eindruck, dass Michelle wirklich entspannt gewirkt und womöglich ihre Star-Rolle akzeptiert habe.
In der CNN-Show von Piers Morgan äußerte sich New York Times-Reporterin Jodi Kantor, die wohl beste Kennerin des First Couple. Ihr Buch "Die Obamas" zeichnet nach, dass es Michelle schwer fiel, sich in Washington wohlzufühlen und dass sie den politischen Kleinkrieg anfangs angewidert verfolgt habe. Kantor erklärt bei CNN, dass das Weiße Haus eine "Langzeitstrategie" verfolge: Michelle werde aus dem "politischen Raum" ferngehalten und zeige sich bei anderen Anlässen, die ein großes Publikum anziehen.
Diese "Charmeoffensive" folge einer Lehre der amerikanischen Geschichte: Die First Ladys sind dann am erfolgreichsten, wenn sie sich so politikfern wie möglich geben. So war es auch bei Hillary: Als sie ihr Engagement in der Tagespolitik, das die Anfangszeit der Clinton-Präsidentschaft prägte, zurücknahm, stiegen ihre Popularitätswerte. Sie wurde Senatorin, Außenministerin und ist Favoritin für die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten. So kommt es, dass 2016 ein besonderes Jahr für beide First Ladys werden könnte.
Linktipp: Eine typische Kritik an den Auftritten von Michelle Obama hat Jennifer Rubin, konservative Bloggerin der Washington Post verfasst. Lesenswert auch der Beitrag von David Denby für den New Yorker. Die Los Angeles Times hat nachgezeichnet, wie es zum Überraschungsauftritt bei den Oscars kam.
Der Autor twittert unter @matikolb.