Und so kam nach Angaben aus amerikanischen Regierungs- und Militärkreisen Deutschland ins Spiel: Ein Wissenschaftler der "Big Safari", einer Technologieabteilung der Air-Force, entwickelte eine Technologie, mit eine Drohne auch aus großer Entfernung gesteuert werden kann: Eine kleine Mannschaft startet sie von einem Flugfeld in der Nähe des Einsatzortes und übergibt dann per Satellitenverbindung die Steuerung an die Piloten im GCS. Ob die Bodenstation nur wenige oder Tausende Kilometer entfernt ist, spielt keine Rolle - solange eine direkte Satellitenverbindung besteht.
Mit Erlaubnis der usbekischen Regierung startete das US-Militär fortan seine Predators von einem abgelegenen Flugfeld nahe der usbekisch-afghanischen Grenze. Die Piloten hingegen saßen im US-Stützpunkt in Ramstein. Auf dem weitläufigen Gelände - der größte US-Militärflughafen außerhalb des amerikanischen Festlands - fiel die GCS, ein paar Satellitenschüsseln und die in einem grün-schwarzen Tarnzelt untergebrachte Kommandozentrale nicht weiter auf. Die damalige Bundesregierung erfuhr von dem Ganzen offenbar nichts. Das Pentagon wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern.
"Das kannten wir nur aus Hollywood-Filmen"
Bereits wenige Tage nach ihrem ersten Einsatz entdeckten die Drohnenpiloten aus Ramstein Osama bin Laden. Hochrangige Beamte in Washington waren begeistert, als sie den Terrorchef auf einem Video sahen. Richard Clarke, jahrzehntelang einer der höchsten Sicherheitsbeamten der USA, schrieb dazu später: "Diese Art der geheimdienstlichen Arbeit war etwas, dass wir nur aus Hollywood-Filmen kannten." Auf die Euphorie folgte jedoch die Ernüchterung, denn der damalige US-Präsident Bill Clinton war gegen einen Einsatz von - in der Regel von Schiffen aus abgefeuerten - Cruise Missiles. Und die Predators, die über Bin Laden kreisten, waren nicht mit Raketen ausgerüstet. Noch nicht.
Nirgends in Europa leben so viele Amerikaner an einem Fleck wie auf der US-Air-Base in Ramstein. "Klein-Amerika" wird dieser Luftstützpunkt, der 1951 von den US-Amerikanern gegründet wurde, genannt. Mit der Schließung der Rhein-Main Air Base in Frankfurt Ende 2005 ist Ramstein für das US-Militär das neue "Gateway to Europe", das Tor nach Europa. Der Flugplatz ist heute die zentrale Drehscheibe für den Truppen- und Materialtransport der US-Streitkräfte in Europa. Der Militärflugplatz liegt unmittelbar südöstlich von Ramstein-Miesenbach, etwa zehn Kilometer westlich von Kaiserslautern.
Hausherr auf dem Flugplatz ist das 86. Lufttransportgeschwader (86th Airlift Wing). Auch das Hauptquartier der US-Luftstreitkräfte in Europa (USAFE) und das Nato-Hauptquartier "Allied Air Command" sind in Ramstein zu Hause. Tausende GIs arbeiten auf der Airbase selbst, hinzu kommen noch ihre Familien und zivile Angestellte. In der ganzen "Militärcommunity Kaiserslautern" leben Zehntausende US-Amerikaner. SZ
Die amerikanische Luftwaffe arbeitete aber bereits daran, Drohnen mit Hellfire-Raketen zu bestücken. Als Clintons Anti-Terror-Berater Richard Clarke davon erfuhr, verfasste er ein geheimes Memo mit dem Vorschlag, die mit Waffen ausgerüsteten Predator-Drohnen sofort einzusetzen, wenn sie einsatzbereit seien. Trotz juristischer Bedenken des US-Außenministerium arbeitete das US-Militär mit Hochdruck an den Projekt. Auf Testgeländen in Nevada und Kalifornien testete die Luftwaffe zusammen mit dem Hersteller General Atomics erstmals Drohnen, unter deren Flügeln Raketen angebracht waren.
Die Amerikaner zweifelten an der Verschwiegenheit Berlins
Doch dann brachten Juristen des Verteidigungsministeriums einen gravierenden Einwand vor: Sollte der Pilot eines Predator in einem GCS in Ramstein abdrücken, um eine Hellfire abzuschießen, ohne vorher die Zustimmung der deutschen Regierung eingeholt zu haben, würden die Vereinigten Staaten gegen das Truppenstationierungsabkommen verstoßen. Die Befürworter des Projekts befürchteten jedoch offenbar, dass die Regierung in Berlin die Vorgänge in Ramstein nicht geheim halten würde, wenn sie von ihnen Kenntnis hätte. Also wurde die rot-grüne Regierung erst gar nicht gefragt, berichteten amerikanische Beamte, die an der damaligen Entscheidung beteiligt waren.
Statt die Bundesregierung um Erlaubnis zu fragen, wollten sie die Drohnenpiloten lieber in ein anderes Land verlegen. Aber wohin? Zwischen Afghanistan und den Vereinigten Staaten gab es schließlich keine direkte Satellitenverbindung. Für die Übertragung der Daten wären mehrere Satelliten nötig gewesen, was die Verbindung stark verlangsamt hätte.
Inzwischen sitzen die Piloten in den USA
Die Versuche, einen Ersatz für den Standort Ramstein zu finden, blieben jedoch aus verschiedenen technischen und politischen Gründen erfolglos. Die Architekten des US-Drohnenprogramms waren kurz davor, das Programm zu stoppen, bevor es überhaupt so richtig begonnen hatte. Doch dann hatte derselbe Wissenschaftler, der schon die Technologie für die Drohnensteuerung via Ramstein entwickelt hatte, eine Idee: Theoretisch, erklärte er, könne die Bodenstation GCS in den Vereinigten Staaten stehen, wenn die Verbindung zur Drohne nicht über mehrere Satelliten, sondern zumindest zwischen Europa und den USA nach Europa über Glasfaserkabel hergestellt werde.
Es war die Geburtsstunde jenes ausgeklügelten Systems zur Drohnensteuerung, das auch heute noch im Einsatz ist: Das Signal der Drohnen über dem Hindukusch, Afrika oder dem Nahen Osten wird per Satellit nach Ramstein gesendet und von dort über ein Glasfaserkabel, das unter dem Atlantik verläuft, in die Vereinigten Staaten gesendet - wo dann die Piloten sitzen. Die Daten für sämtliche Drohneneinsätze fließen zwar über Deutschland, abgedrückt aber wird woanders. Für das US-Militär war das Problem damit gelöst.
Und für die Bundesregierung? Sie teilte auf Anfrage lediglich mit, Washington habe gegenüber Berlin bestätigt, dass von amerikanischen Stützpunkten in Deutschland bewaffnete Drohnen "weder geflogen noch befehligt werden". Die Antwort bezog sich auf die Gegenwart. Zur Vergangenheit hingegen sagte die Bundesregierung kein Wort.