US-Außenpolitik unter Obama:"Unangenehmer als Bush"

US-Präsident Obama führt die Außenpolitik seines Vorgängers fort, behauptet Eliot Cohen, einst Berater von Bushs Außenministerin Rice.

Moritz Koch, Washington

Eliot Cohen, 53, gehört zu den führenden Militärexperten und neokonservativen Denkern Amerikas. Er ist Professor an der School of Advanced International Studies in Washington und war bis zum Machtwechsel im Januar 2009 Chefberater von Ex-Außenministerin Condoleezza Rice. Im Interview mit sueddeutsche.de behauptet Cohen, Barack Obama führe die Außenpolitik seines Vorgängers George W. Bush fort - wenn er nicht gerade Handelskonflikte heraufbeschwöre. Für die Europäer hat Cohen eine Warnung parat: Obama kann für sie weit unangenehmer werden als Bush.

Eliot Cohen

Eliot Cohen sieht keinen Kurswechsel in der Außenpolitik von US-Präsident Barack Obama.

(Foto: Foto: o.H.)

sueddeutsche.de: Herr Cohen, Barack Obama hat mit seinem Versprechen, Washington zu verändern, Amerikas ramponiertes internationales Ansehen repariert. Trotzdem behaupten Sie, die Außenpolitik der USA sei unverändert geblieben. Wie kommen Sie darauf?

Eliot Cohen: Ich drehe die Frage um: Was sehen die Leute, was ich nicht sehe? Wenn wir die konkrete Politik anschauen, gibt es keine Brüche. Die Entscheidung, die Truppenstärke im Irak zu reduzieren, hat die alte Regierung getroffen. Genauso wie der Entschluss, mehr Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Die Liste ließe sich fortführen: Der Friedensprozess im Nahen Osten hat keine neuen Initiativen bekommen. Nordkorea? Iran? Auch hier ist unsere Politik ziemlich unverändert.

sueddeutsche.de: Was ist mit dem Klimaschutz, den Obama vorantreiben will, und dem Traum von einer kernwaffenfreien Welt, den er wiederbelebt hat? Beides unterschlagen Sie.

Cohen: Keineswegs! Zunächst zum Klimaschutz: Bisher spielt sich alles auf Ankündigungsebene ab. Wie viel Obama durchsetzt, ist noch überhaupt nicht abzusehen. Ich bezweifele, dass er es weit bringen wird. Was die Abschaffung der Kernwaffen betrifft: Obamas Vision ist idiotisch. Das wird nicht passieren, es ist eine reine Phantasie. In allen relevanten Fragen besteht Kontinuität. Selbst die Rhetorik ist gleich geblieben. Nehmen Sie die Rede von Hillary Clinton vor dem Council on Foreign Relations, in der sie die Bedeutung des Freiheitsideals und der Militärmacht der USA beschwört. Das klingt mir doch sehr nach Bush-Politik.

sueddeutsche.de: Gerade in der Außenpolitik sind doch nicht nur die Substanz und Konzepte entscheidend, sondern auch Stil und Gesten.

Cohen: Ach, das ist doch nur eine vornehme Weise zu sagen: Wir mögen Obama, Bush mögen wir nicht.

sueddeutsche.de: Auch dafür gibt es Gründe!

Cohen: Ja, natürlich. Zum einen verkörpert Bush Texas. Damit kam er schon in weiten Teilen Amerikas nicht an und erst recht nicht in Europa. Doch was noch wichtiger ist: Es gibt in Europa einen tiefsitzenden Antiamerikanismus, den Bush durch seine Persönlichkeit und seine Politik noch graduell verstärkt hat. So war Amerika ein bequemes Ziel für Jacques Chirac und Gerhard Schröder, zwei ziemlich korrupte Politiker im Übrigen.

sueddeutsche.de: Wie bitte?

Cohen: Kaum aus dem Amt, hat Schröder sich von seinem Freund Wladimir Putin zum Aufsichtsratschef der Ostsee-Pipeline machen lassen. Das spricht doch Bände. Doch worauf ich eigentlich hinaus will: Die Beziehungen zwischen den USA und Europa wären zu Zeiten der Irak-Invasion viel besser gewesen, wenn Nikolas Sarkozy und Angela Merkel damals schon regiert hätten. Schröder und Chirac zündelten mit Ressentiments. Sie schlachteten die Abneigung gegen Amerika aus, um politisches Kapital zu gewinnen. Schröder war meines Wissens der erste deutsche Kanzler, der einen Wahlkampf gegen die Vereinigten Staaten geführt hat. Das macht ihn für mich zu einer viel grauenhafteren politischen Figur als George W. Bush.

"Ich bin kein wahrlich kein Fan von Bush"

sueddeutsche.de: Das ist ein ziemlich schwerer Vorwurf.

US-Außenpolitik unter Obama: US-Präsident Barack Obama mit seinem Vorgänger George W. Bush bei einem Treffen im Weißen Haus.

US-Präsident Barack Obama mit seinem Vorgänger George W. Bush bei einem Treffen im Weißen Haus.

(Foto: Foto: AP)

Cohen: Sehen Sie, ich bin wahrlich kein Fan von Bush, aber seine Dämonisierung geht zu weit. Historiker werden ihn in 20, 30 Jahren milder beurteilen. Er hat al-Qaida entscheidend geschwächt. Und in seiner zweiten Amtszeit hat er viel Energie darauf verwendet, die Beziehungen zu Europa zu verbessern. Da ich an vielen Verhandlungen teilgenommen habe, kann ich Ihnen sagen: Mit Erfolg.

sueddeutsche.de: Die meisten Europäer sehen das anders. Doch Schröder und Bush sind Vergangenheit. Ist es nicht erfreulich, dass Obama die alten Gräben überwindet?

Cohen: Tut er das wirklich? Ich habe meine Zweifel. Obama wird kein einfacherer Partner sein als Bush. Der neue Präsident ist vielleicht bei den europäischen Wählern beliebt, aber den Regierungen wird er große Schwierigkeiten bereiten. Das von den Demokraten regierte Washington ist protektionistisch. Nur weil die Presse Obama gegenüber so unkritisch ist, erfährt die Öffentlichkeit nichts davon.

sueddeutsche.de: Vielleicht müssten Sie einfach erklären, was Sie meinen.

Cohen: Ich gebe Ihnen zwei Beispiele. Der Kongress hat die Ratifizierung eines Freihandelsabkommens mit Kolumbien gestoppt, obwohl Kolumbien unser engster Verbündeter in Lateinamerika ist. Und mit Kanada gibt es einen handfesten Streit über Einfuhrschranken, die mit dem Konjunkturpaket errichtet wurden. Kanada, um Himmels Willen, kein Staat steht uns näher! Die Europäer werden sich noch umsehen, gerade die Deutschen brauchen ein offenes Amerika für ihre exportorientierte Wachstumsstrategie.

sueddeutsche.de: Nehmen wir einmal an, Sie haben recht und Obama setzt mit Ausnahme der Handelspolitik tatsächlich den Bush-Kurs fort, warum kritisieren rechte Hardliner die neue Regierung dann so scharf?

Cohen: Das erklärt sich aus dem Streit über die CIA-Verhöre. Die Regierung begeht einen fatalen Fehler, indem sie die Eröffnung von Verfahren gegen Agenten prüft. Ich habe die Verhörtechniken der CIA immer abgelehnt. Aber Obama hatte versprochen, die Geschichte ruhen zu lassen. Jetzt hat es sich sein Justizminister anders überlegt. Das verwirrt die CIA. Ich kann Ihnen sagen: Die Moral dort ist schlecht. Alles, was die Ermittler erreichen werden, ist eine Spaltung der Exekutive zu einer denkbar ungünstigen Zeit. Wir haben wichtige Aufgaben zu erledigen, vor allem in Afghanistan und können keine Ablenkung gebrauchen.

sueddeutsche.de: Da Sie es ansprechen: Die Wahlen in Afghanistan waren zumindest in Teilen manipuliert, die Zweifel an Präsident Karsai wachsen. Gleichzeitig nehmen die Angriffe der Taliban zu. Kann die Nato diesen Krieg noch gewinnen?

Cohen: Oh ja, das kann sie. Jetzt, da die Situation schwierig wird, dürfen wir unsere Entschlossenheit nicht verlieren. Die militärischen Einsätze müssen noch jahrelang weitergehen. Die Aufbauhilfe sogar noch viel länger. Aber das Engagement lohnt sich: Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Afghanen die Taliban zurückhaben wollen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: