US-Außenpolitik:Tillerson sucht in Russland die maximale Distanz

US-Außenpolitik: US-Außenminister Rex Tillerson kommt am Flughafen in Moskau an. Er wird hier zu einem schwierigen Antrittsbesuch erwartet.

US-Außenminister Rex Tillerson kommt am Flughafen in Moskau an. Er wird hier zu einem schwierigen Antrittsbesuch erwartet.

(Foto: AFP)

Trumps Außenminister gilt als Freund von Putin. Nach dem US-Angriff auf eine syrische Militärbasis wird der Antrittsbesuch des ehemaligen Exxon-Chefs in Moskau jedoch zur heiklen Mission.

Analyse von Thorsten Denkler, New York

Wer zu Besuch kommt, der lästert eigentlich nicht schon vorher über die Gastgeber. Und schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Rex Tillerson aber kann wohl gerade nicht anders. Der US-Außenminister hat heute seine Antrittsvisite bei der russischen Regierung in Moskau. Er wird auf den russischen Außenminister Sergej Lawrow treffen. Und danach wohl auch auf Präsident Wladimir Putin.

Putin hat schon einige US-Präsidenten kommen und gehen sehen. Und Lawrow ist ein Mann, der sich seit 1972 mit internationalen Beziehungen beschäftigt. Seit 2004 dient er Russland als Außenminister. Tillerson ist der fünfte US-Außenminister, mit dem es Lawrow zu tun bekommt.

Tillersons diplomatischer Erfahrungshorizont ist dagegen gleich null. Bis zu seiner Ernennung als US-Außenminister war er Präsident und Geschäftsführer des Öl-Konzerns Exxon Mobil. Als solcher hatte er seit den Zeiten von Boris Jelzin enge Kontakte zur russischen Führung. Seitdem kennt er auch Putin. Es gebe kaum einen US-Bürger mit besseren Kontakten zum russischen Präsidenten, schrieb das Wall Street Journal im Dezember über Tillerson. Putin zeichnete ihn auch mit dem "Orden der Freundschaft" aus.

Verbindungen nach Russland galten mal als Pluspunkt im Trump-Team. Der US-Präsident wollte ja die Eiszeit zwischen Washington und Moskau beenden. Heute kommt das in der Heimat nicht mehr so gut an. Die Russen stehen unter Verdacht, Einfluss auf die Wahlen im vergangenen Jahr genommen zu haben. Im Parlament wird die Sache untersucht. Erstaunlich viele aus dem direkten Umfeld von Trump hatten in der Wahlkampfphase und danach sehr gute Kontakte in russische Regierungskreise. (Hier eine Übersicht der Washington Post)

Tillerson scheint sich jetzt so weit wie nur irgend möglich von Putin distanzieren zu wollen. Und so erklärt er kurz vor seinem Abflug vom G-7-Außenministertreffen in Lucca, Italien, nach Moskau: Es sei unklar, ob Russland seine Aufgabe nicht ernst genommen habe oder schlicht "inkompetent" sei, den syrischen Machthaber und russischen Verbündeten Baschar al-Assad von Chemiewaffen und deren Einsatz fernzuhalten. In der Sprache der Diplomatie kommt das einer Beschimpfung schon recht nahe. Der US-Außenminister wirft den Russen zudem vor, in Europa genau wie in den USA Einfluss auf die kommenden Wahlen nehmen zu wollen.

Tillerson äußert sich deutlicher als Trump

Er geht damit in seiner Kritik deutlich weiter als sein Chef, US-Präsident Trump. Der ist noch immer sehr zurückhaltend, wenn es um Russland geht. Es werde "immer einsamer" um ihn in dieser Frage, berichtet die New York Times.

Womöglich reichen Trump aber auch jene 59 Tomahawk-Marschflugkörper als Argument, die er Ende vergangener Woche auf Syrien hat feuern lassen. Zwar mit Wissen, aber ohne Einverständnis der Russen. Und vor dem Hintergrund, dass die USA den syrischen Machthaber Assad verantwortlich machen für den Giftgasangriff in Syrien Anfang vergangener Woche. Die russische Führung sieht dagegen eher Rebellen-Gruppen als Schuldige, die sich das Giftgas auf welchem Wege auch immer besorgt hätten. Mehr als 80 Menschen kamen bei dem Angriff ums Leben, darunter viele Kinder.

Das Weiße Haus erhöht den Druck auf Moskau, bevor Tillersons Gespräche überhaupt begonnen haben. In einem vierseitigen Geheimdienst-Dossier wird Russland vorgeworfen, gemeinsam mit Assad eine "falsche Erzählung" über die Herkunft des Giftgases in die Welt gesetzt zu haben.

Lawrow und Putin werden sich jedenfalls einem Mann gegenübersehen, den sie schon länger kennen. Der jetzt aber in völlig neuer Mission unterwegs ist: nur keine verdächtige Nähe zeigen. Keine Anbiederung zulassen. Maximale Abgrenzung ist die Devise.

Die "Beste-Freunde-Strategie" ist obsolet

Trumps Idee, Moskau und Washington könnten allerbeste Freunde werden, ist nach nicht einmal 100 Tagen im Amt obsolet geworden. Der US-Außenpolitikexperte Philip H. Gordon sagte dazu in der New York Times: Das sei "unvermeidlich" gewesen. Trumps "Lass-uns-Freunde-werden"-Strategie stehe den US-Interessen diametral entgegen. Jeder habe gewusst, "dass das in Tränen enden muss".

Lawrow und Putin sind lange genug im Geschäft, um mit solchen Stimmungsschwankungen umzugehen. Gegenüber Tillerson hat Lawrow zudem einen großen Vorteil: Die russische Außenpolitik ist im Vergleich zur US-amerikanischen aus einem Guss. Sie lässt sich derzeit grob auf die Formel bringen: Alles, was das westliche Staatenbündnis destabilisieren könnte, ist gut für Russland.

In Frankreich wird der Front National aus Moskau mitfinanziert. In Deutschland versorgen staatliche russische Medienangebote wie RTdeutsch oder Sputnik interessierte Bürger mit russischer Propaganda. In Syrien hat es Putin geschafft, die Handlungsfähigkeit des westlichen Staatenbündnisses weitgehend auszuhebeln. Das Problem für den russischen Präsidenten könnte höchstens sein, dass er sich jetzt enger an Assad binden muss, als ihm tatsächlich lieb ist.

Auf US-Seite ist dagegen kaum auszumachen, wer in der Trump-Regierung eigentlich die außenpolitischen Leitlinien vorgibt. Trump hat sich nach seiner Raketen-Attacke auf Syrien nicht dezidiert zu einer neuen Syrien-Strategie geäußert. Stattdessen sagte die einflussreiche UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley, es könne keine Zukunft für Syrien mit Assad geben.

Tillerson hingegen erklärte bislang, oberste Priorität habe der Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat. Was aus Assad werde, müsse irgendwann das syrische Volk entscheiden. Was insofern interessant ist, als Assad seine Gegner unter den syrischen Bürgern umbringt. Von irgendwelchen Entscheidungs-Optionen kann keine Rede sein. Am Dienstag hieß es denn auch aus dem Kreis der G-7-Außenminister, zu denen ja auch Tillerson gehört, eine Lösung des Syrien-Konflikts sei nur ohne Assad möglich.

Und dann sind da noch Trumps Sicherheitsberater Herbert Raymond "H.G." McMaster und sein Schwiegersohn und enger Berater im Weißen Haus, Jared Kushner. McMaster hatte am Wochenende alle Hände voll zu tun, die gegensätzlichen Ansichten von Haley und Tillerson geradezuziehen. Und gibt beiden irgendwie recht. Mit Assad gehe es nicht. Aber die USA würden nicht diejenigen sein, die Assad stürzen. Das müssten andere Länder machen. Russland, zum Beispiel.

Kushner soll seinem Schwiegervater zur Attacke auf Syrien geraten haben. Und Trumps Sohn Eric hat in einem Interview mit dem britischen Daily Telegraph kolportiert, dass Trumps Tochter und Beraterin im Weißen Haus, Ivanka Trump, den Angriff auf Syrien mit ausgelöst hat. Ihre hochemotionale Reaktion auf die Bilder kindlicher Giftgasopfer habe Trump überzeugt, sagte der Sohn und Bruder. Sie sei einfach so "empört" gewesen, es habe ihr "das Herz gebrochen". Wenn das stimmt, dann hat das mit politischer Strategie gar nichts mehr zu tun.

Was nicht alle verkehrt finden. Der Präsident hat besser keine Strategie, als am Ende die falsche, sagt etwa Ryan Crocker, ein Kenner des Nahen Ostens und der US-Außenpolitik. Der russische Außenminister Lawrow wird das aufmerksam verfolgen. Und er wird an diesem Mittwoch Gelegenheit haben herauszufinden, ob Tillerson eigentlich der richtige Gesprächspartner ist, um außenpolitische Fragen mit den USA zu klären. Diese Frage könnte vermutlich gerade auch Tillerson nicht seriös beantworten. Er ist noch auf der Suche nach seinem Amt. In Russland könnte er es finden.

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