Wikileaks-Enthüllungen erwartet:Eine Woche voller Skandale

Ministerien und Geheimdienste sind in Aufruhr: Wikileaks hat neue Enthüllungen angekündigt. Erste Details zu den mutmaßlichen Geheim-Dokumenten sickern bereits durch - und versprechen wenig schmeichelhafte Details über prominente Staatsmänner aus aller Welt.

US-Außenministerin Hillary Clinton hat die deutsche Bundesregierung auf eine mögliche Enthüllung diplomatischer Geheimnisse im Internet vorbereitet. Sie habe die politischen Führungen zahlreicher Staaten über die absehbare Veröffentlichung vertraulicher US-Dokumente auf der Online-Plattform Wikileaks unterrichtet, schrieb der US-Außenamtssprecher Philip Crowley im Nachrichtendienst Twitter.

Hillary Clinton

Wartet nervös auf die Veröffentlichung von Wikileaks: US-Außenministerin Hillary Clinton

(Foto: dpa)

Konkret nannte er neben Deutschland auch Frankreich, Großbritannien, Afghanistan, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Washington befürchtet beträchtlichen außenpolitischen Schaden

Die US-Regierung befürchtet, dass Wikileaks in Kürze eine Flut geheimer Papiere aus dem amerikanischen Außenministerium öffentlich macht. Dabei könnte es sich etwa um Protokolle vertraulicher Diplomaten-Gespräche handeln oder um persönliche Einschätzungen von US-Botschaftern über Regierungsmitglieder des jeweiligen Landes.

Die britische Zeitung Sunday Telegraph berichtete inzwischen mit Berufung auf britische Regierungskreise, die Dokumente beschäftigten sich mit so prominenten Persönlichkeiten wie den früheren südafrikanischen Staatspräsidenten Nelson Mandela, den simbabwischen Machthaber Robert Mugabe, Afghanistans Präsidenten Hamid Karsai und den libyschen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi.

Die Dokumente würden ab Sonntagnacht nach thematischen Schwerpunkten geordnet veröffentlicht, berichtete die Zeitung weiter. Am Dienstag sollen demnach Berichte zu Nord- und Südkorea und über das umstrittene US-Gefangenenlager Guantánamo folgen, am Mittwoch über Pakistan und Anti-Piraterie-Einsätze in Dschibuti. Am Donnerstag werden Dokumente zum Verhältnis zwischen USA und Kanada, am Freitag Berichte über die Korruption in Afghanistan veröffentlicht. Am Samstag soll Jemen, am Sonntag China auf dem Enthüllungsprogramm von Wikileaks stehen.

Mittlerweile hat das US-Außenministerium mit einem Brief an Assange die erwartete Massen-Veröffentlichung von Regierungsdokumenten zu verhindern vesucht. Die geplante Offenlegung der vertraulichen und zum Teil als geheim eingestuften Berichte amerikanischer Botschaften "gefährdet das Leben zahlloser Personen", heißt es in dem vom Samstag datierten Schreiben des Rechtsberaters des Ministeriums, Harold Hongju Koh. Eine Veröffentlichung setzte Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Blogger, Soldaten und Informanten Risiken aus, schreibt Koh. Auf dem Spiel stünden außerdem laufende Operationen im Kampf gegen den Terror, Menschen- und Waffenschmuggel. Auch die Kooperation von Staaten werde gefährdet.

Die USA lehnten alle Verhandlungen über die Offenlegung weiterer Dokumente ab, heißt es weiter. Sollte Wikileaks tatsächlich daran interessiert sein, Schaden zu vermeiden, müssten die Veröffentlichungen unterbleiben und die Akten zurückgegeben werden. Dass die US-Regierung einen Brief an Assange an die Medien weitergibt, gilt als ungewöhnlich. Das Schreiben ist an eine Anwältin des Wikileaks-Gründers adressiert.

Brief der US-Regierung an Assange

Das Außenministerium in Washington weiß nach eigenen Angaben nicht, welche Informationen den Enthüllungsaktivisten tatsächlich in die Hände gefallen sind. Die Behörde geht aber davon aus, dass der außenpolitische Schaden des Geheimnisverrats für die USA beträchtlich werden könnte.

Die Wikileaks-Macher selbst sprechen von der siebenfachen Menge an Dokumenten, die sie im Oktober veröffentlich hatten. Damals stellten sie etwa 400.000 Seiten mit geheimen Logbucheinträgen aus den USA zum Irak-Krieg auf die Seite. Demnach könnten nun fast drei Millionen weitere Papiere im Netz landen. Sie wurden vermutlich aus dem Computersystem des US-Ministeriums gestohlen.

Mit einer Veröffentlichung wird an diesem Sonntag gerechnet. Dafür spricht, dass das Nachrichtenmagazin Der Spiegel seine kommende E-Paper-Ausgabe "aus redaktionellen Gründen" erst am Sonntagabend zugänglich macht. Der Spiegel ist in der Vergangenheit ebenso wie die US-Zeitung New York Times und der britische Guardian vorab von Wikileaks mit Dokumenten versorgt worden.

Erste Informationen sickern durch

Wie die Webseite netzpolitik.org berichtet, soll bei Spiegel online bereits kurzzeitig ein Artikel abrufbar gewesen sein, der erste Informationen zu den Wikileaks-Dokumenten enthielt. Dieser soll aber nach kurzer Zeit wieder entfernt worden sein. Die Webseite verlinkt auf eine mutmaßliche Kopie des Spiegel-online-Artikels.

Dort ist die Rede von - lediglich - 250.000 diplomatische Depeschen, die US-Vertretungen in aller Welt an das Außenministerium in Washington geschickt haben sollen. Fast alle Dokumente sollen demnach aus der Zeit nach 2004 stammen, nur eines reiche ins Jahr 1966 zurück. Mehr als 9000 Papiere seien in den ersten beiden Monaten dieses Jahres verfasst worden.

Nur ein kleiner Teil der Dokumente sei tatsächlich als geheim eingestuft: 4330 Depeschen seien so vertraulich, dass sie Ausländern nicht zugänglich gemacht werden dürften. Keines der Papiere, die Wikileaks zugespielt worden seien, unterliege der Geheimhaltungsstufe.

Während Spiegel online nicht verfizieren wollte, ob die Angaben tatsächlich aus einem versehentlich publizierten Bericht stammen, spekulieren Medien weltweit weiter über die möglichen Inhalte der Papiere. Vielfach erwarten sie, dass die Korrespondenz zwischen den US-Vertretungen rund um den Globus und dem Ministerium in Washington peinliche oder gar skandalöse Details über einzelne Regierungen enthält.

Dabei könne es um Abhöraktionen der USA in anderen Ländern gehen, Details aus den Verhandlungen mit Russland über die atomare Abrüstung oder um subjektive Meinungsäußerungen von US-Diplomaten über die Familie des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai.

Cameron bittet britische Medien um Warnung

In Finnland geht man örtlichen Medienberichten zufolge von besonders schweren Folgen aus. Großbritannien befürchte, dass die engen Beziehungen des Landes zur USA etwa durch despektierliche Äußerungen über einstige britische Premiers beschädigt werden könnte, schreibt die dortige Times.

Regierungschef David Cameron habe die Chefredakteure der britischen Zeitungen mit einer sogenannten Verteidigungswarnung formal gebeten, die Regierung über geplante Veröffentlichungen zu dem Wikleaks-Material zu informieren - zum Schutz der Militäroperationen des Landes.

Der Generalstabschef des US-Militärs, Mike Mullen, nannte die bevorstehende Enthüllung extrem gefährlich. Er hoffe, dass die Verantwortlichen darüber nachdächten, wie sie mit ihren Handlungen das Leben amerikanischer Soldaten in aller Welt riskierten, sagte er laut CNN in einem Interview, das der Fernsehsender am Sonntag ausstrahlen will.

Wikileaks hatte schon in den vergangenen Monaten mit der Veröffentlichung von Geheimdokumenten aus den USA zu den Kriegen in Afghanistan und im Irak international für Aufsehen gesorgt.

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