US-Angriffe in Afghanistan:15 tote Kinder in 24 Stunden

Zugegeben hat das US-Militär die Vorfälle - allerdings erst auf Nachfrage von Journalisten. Der Tod von Zivilisten, so ein Militärsprecher, lasse sich nicht immer vermeiden. Das eigentliche Ziel der amerikanischen Angriffe, radikalislamische Kämpfer, sind den Bomben allerdings entgangen.

Die bisherige Bilanz der jüngsten US-Militäroperationen in Afghanistan dürfte auch in Washington nachdenklich stimmen: Innerhalb von nur 24 Stunden wurden 15 Kinder bei US-Angriffen getötet, während die amerikanischen Bomben ihre eigentlichen Ziele, nämlich radikalislamische Taliban-Kämpfer, anscheinend verfehlten.

Dabei hatte US-Militärsprecher Bryan Hilferty bei einer Routinepressekonferenz zunächst versucht, den für sechs Kinder tödlich verlaufenen Einsatz in der ostafghanischen Provinz Paktia als Erfolg zu werten.

Am Mittwoch präsentierte er in Kabul Fotos vom Angriffsort mit Waffen und Munition, die die US-Truppen beschlagnahmt hatten. Erst auf Nachfrage eines Journalisten räumte er ein, dass die Soldaten nach dem Angriff in den Trümmern noch etwas anderes fanden: Die Leichen von sechs Kindern und zwei Erwachsenen.

Dabei hatte der Angriff laut Hilferty bereits am Freitag stattgefunden, am Samstag wurden die Toten entdeckt.

Der von Kampfflugzeugen unterstützte Angriff habe sich gegen Gebäude in der Stadt Gardes gerichtet, wo ein flüchtiger afghanischer Kommandeur Waffen gelagert habe.

Die US-Truppen hätten keine Hinweise auf die Anwesenheit von Zivilisten gehabt, sagte Hilferty weiter.

Hilferty drückte sein Bedauern über die Opfer aus, erklärte aber, der Tod von Zivilisten lasse sich nicht immer vermeiden. "Wenn sich Nichtkämpfende mit tausenden Waffen umgeben in einem Gebäude, das bekanntermaßen von einem Terroristen genutzt wird, sind wir für die Folgen nicht vollständig verantwortlich", sagte er.

Am Samstag aber starben noch neun andere Kinder bei einem amerikanischen Bombenangriff in der ostafghanischen Provinz Ghasni.

Am selben Tag räumten die US-Streitkräfte diesen Vorfall ein - wieder nur auf Nachfrage, und vor allem ohne ein Wort darüber zu verlieren, dass bereits am Tag zuvor sechs Kinder ihr Leben lassen mussten.

"Vielleicht müssen die Amerikaner ihr Vorgehen ändern"

Unbeantwortet von den US-Truppen ist immer noch, wieso es überhaupt zum Tod von Kindern kommen konnte. Hilferty konnte nur mitteilen, dass man nicht wisse, ob ein ins Visier genommener Taliban-Kämpfer geflohen sei - unter den Festgenommenen sei er jedenfalls nicht.

Die Aussagen des Sprechers lassen darauf schließen, dass der Gesuchte zum Zeitpunkt des Angriffs gar nicht in dem angegriffenen Haus war. Bei einem Taliban-Kommandeur in Ghasni verhielt es sich möglicherweise ebenso. "Wir sind zuversichtlich, dass wir den Zielpunkt getroffen haben", hatte US-Botschafter Zalmai Khalilzad am Dienstag in Kabul gesagt. "Wir können aber nicht bestätigen, dass das Ziel getötet wurde."

Für einen Diplomaten fand der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen für Afghanistan, Lakhdar Brahimi, nach Bekanntwerden des Vorfalls in Paktia deutliche Worte: "Vielleicht müssen die Amerikaner die Art ändern, wie sie ihre Operationen ausführen, um eine Wiederholung solcher Dinge zu vermeiden", sagte Brahimi.

Schon bei früheren US- Angriffen mit zivilen Opfern seien die Reaktionen bitter gewesen - auch für die internationale Gemeinschaft im Land. So hätten Afghanen gesagt, "wenn das der Preis für Eure Hilfe ist, dann danke sehr".

(sueddeutsche.de/dpa/AP)

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: