US-Amokschütze in Afghanistan:"Er ist einfach ausgerastet"

Warum tötete ein US-Soldat 16 unschuldige Afghanen? Amerikanische Behörden reden von Eheproblemen und Alkohol. Sein Anwalt hat eine andere Erklärung: Er spricht von einem traumatisierenden Erlebnis - und davon, dass die Armee eine Zusage gebrochen habe.

Der US-Soldat, der am vergangenen Sonntag in Afghanistan 16 Zivilisten getötet haben soll, stand Medienberichten zufolge unter Stress und Alkoholeinfluss. Wie die New York Times unter Berufung einen namentlich nicht genannten Regierungsvertreter berichtete, hatte der Unteroffizier in der fraglichen Nacht Alkohol getrunken - ein Verstoß gegen die Regeln des US-Militärs für Kampfzonen.

Außerdem habe der zweifache Vater im Zusammenhang mit seinem vierten Kampfeinsatz unter massiven Belastungen gestanden. Wegen der Einsätze habe der 38-Jährige auch Probleme mit seiner Frau gehabt, hieß es. "Am Ende wird es eine Kombination aus Stress, Alkohol und häuslichen Problemen sein - er ist einfach ausgerastet", sagte der Regierungsvertreter, der dem Bericht zufolge über die Untersuchungsergebnisse informiert wurde.

Inzwischen trat auch ein Anwalt im Namen des mutmaßlichen Amokläufer auf: John Henry Browne war in der Vergangenheit bekannt geworden, weil er den Serienmörder Tel Bundy verteidigt hatte - und einen Dieb, den man "Barfuß-Bandit" nannte. Allerdings steht noch die offizielle Bestätigung aus, dass der Jurist tatsächlich den Soldaten vertritt.

Browne meldete sich in Seattle zu Wort und nannte ein mögliches Motiv für das Blutbad: Sein Mandant habe am Tag davor aus nächster Nähe mit ansehen müssen, wie seinem Freund bei einer Explosion das Bein weggerissen wurde. Der Anwalt sagte, die Familie des Beschuldigten habe ihm diese Details genannt. Die Angaben konnten zunächst nicht von unabhängiger Seite bestätigt werden. Browne sagte, der Zwischenfall habe alle Soldaten in dem kleinen Stützpunkt in der Provinz Kandahar erschüttert.

In den Militärakten seines Mandanten gebe es keine Vermerke über Fehlverhalten, behauptete Browne. Der Mann, dessen Namen er um der Sicherheit von dessen Familie willen nicht nennen wollte, sei drei Mal im Irak gewesen und dabei zwei Mal verwundet worden. Afghanistan sei sein vierter Auslandseinsatz gewesen. "Er war nicht begeistert über eine weitere Stationierung", sagte Brown, man habe ihm zuvor eine andere Zusage gemacht, die dann gebrochen worden sei. "Ihm wurde gesagt, er werde nicht wieder hingeschickt und dann wurde ihm gesagt, er habe zu gehen."

"Er ist im Allgemeinen sehr sanft"

Der 38-jährige sei verheiratet und habe zwei Kinder, drei und vier Jahre alt. Die Familie sei "total geschockt" von der Tat. "Er hat nie etwas Feindseliges gegen Muslime geäußert. Er ist im Allgemeinen sehr sanft", sagte Browne. Ehe- und Alkoholprobleme, wie von einigen Medien berichtet, wies er zurück.

Nach seinen Angaben soll der mutmaßliche Amokschütze bereits in Kürze in die USA gebracht werden, vermutlich in das Hochsicherheitsgefängnis Fort Leavenworth im US-Bundesstaat Kansas. Er war Medienberichten zufolge bereits auf eine US-Militärbasis in Kuwait ausgeflogen worden, weil es in Afghanistan nach offiziellen Angaben keine passende Haftanstalt für ihn gibt.

Die Verlegung des Soldaten möglicherweise noch am Freitag sei das Ergebnis von Verhandlungen mit der kuwaitischen Seite, die den mutmaßlichen Amokschützen nicht länger im Land behalten wolle, hieß es. Das Parlament in Kabul hatte ein öffentliches Verfahren gegen den Mann in Afghanistan gefordert. Die Identität des US-Soldaten ist nach wie vor nicht bekannt. Auch eine Anklage wurde noch nicht erhoben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: