US-Agenten verärgern Norwegen:Schnüffelei bei Freunden

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Spitzel der US-Botschaft haben in Oslo jahrelang Hunderte Bürger systematisch überwacht. Norwegens Regierung ist überrascht, die Polizei nicht: Sie wusste von der Spionage.

Gunnar Herrmann

Die norwegische Regierung verlangt eine Erklärung zu US-Geheimdienstaktivitäten, die offenbar schon seit zehn Jahren in Oslo vor sich gehen. Eine Organisation mit Namen Surveillance Detection Unit (SDU) soll Medienberichten zufolge im Auftrag der amerikanischen Regierung Hunderte norwegischer Bürger ausspioniert und persönliche Angaben in einer Datenbank gesammelt haben. Dies berichtete der Osloer Fernsehsender TV2 am Mittwoch.

US-Botschaft im Zentrum von Oslo (Foto: dpa)

Außenminister Jonas Gahr Störe zeigte sich überrascht von den Enthüllungen und sagte, falls bei den Spionageaktivitäten norwegische Gesetze verletzt worden seien, dann sei dies "eine ernste Angelegenheit". In Washington hieß es dagegen, man habe die Regierung in Oslo stets über alle Schritte informiert. Die SDU in Oslo ist offenbar Teil einer größeren Organisation, mit der die USA ihre Einrichtungen in 220 Ländern schützt.

Die Initiative hatte Washington im Jahr 2000 ins Leben gerufen, in Reaktion auf die Anschläge auf US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998. Die SDU in Oslo war TV2 zufolge bis vor kurzem in einem Haus unweit der Botschaft untergebracht und beschäftigt 15 bis 20 Mitarbeiter, meist ehemalige norwegische Polizisten, die rund um die Uhr in Schichten arbeiten. Der Dienst soll im Sommer hastig an einen unbekannten Standort umgezogen sein, nachdem man die Recherchen des Senders registriert hatte.

Auf seiner Webseite veröffentlichte TV2 nun eine detaillierte Dienstanweisung des US-Außenministeriums. Demnach sollen die SDU-Angestellten "verdächtige" Personen in der Nähe der US-Botschaft beobachten, fotografieren und Merkmale wie Autokennzeichen, Namen, Haar- und Augenfarbe, Körperbau und Familienhintergrund festhalten. Die Angaben werden dann in einer Datenbank mit Namen Security Incident Management and Analysis System (SIMAS) gesammelt.

Ein Sprecher der US-Regierung sagte TV2, ähnliche Einrichtungen gebe es auch anderswo. Alle Aktivitäten würden stets eng mit dem Gastland abgestimmt - so auch in Norwegen. Die Osloer Polizei bestätigte, von dem US-Dienst gewusst zu haben. Nach allem, was man bislang wisse, habe die Organisation bei ihren Aktivitäten keine Gesetze verletzt, sagte ein Polizeisprecher.

In der Regierung wusste man offenbar nicht so gut Bescheid. "Ich höre von dieser Sache zum ersten Mal", betonte Justizminister Knut Storberget sichtlich irritiert am Mittwoch. Am gleichen Tag trafen sich Beamte des norwegischen Außenministeriums mit amerikanischen Diplomaten zum Krisengespräch. Man habe wissen wollen, über welche Kanäle die norwegischen Behörden informiert worden seien, sagte eine Sprecherin des Ministeriums. "Das Treffen ergab aber keine nähere Klärung dieser Fragen." Außenminister Störe forderte "mehr Auskünfte von den USA".

Die US-Botschaft versuchte am Donnerstag in einer Presseerklärung die Wogen zu glätten. "Norwegen ist ein Freund und ein Alliierter", heißt es dort. Am Freitag will man weitere Informationen veröffentlichen.

© SZ vom 05.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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