Urwahl:Matteo Renzis kurze Pause

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Fünf Monate nach seinem Rücktritt ist Italiens Ex-Premier wieder Chef der regierenden Sozialdemokraten. Und schießt gleich gegen Beppe Grillo und seine Cinque Stelle.

Von Oliver Meiler, Rom

Nichts an der Inszenierung war zufällig, schon gar nicht der Soundtrack zum Triumph. Als Matteo Renzi am Sonntag kurz vor Mitternacht winkend vor die Medienvertreter trat, die sich am Hauptsitz des Partito Democratico in Rom versammelt hatten, füllte den Saal ein Stück von Luciano Ligabue, dem Liedermacher aus der roten Emilia, mit dem etwas länglichen Titel: "Ich habe wieder eine Zukunft, die nicht nur mir gehört." Wahrscheinlich hatten sie in Renzis Entourage lange nach dem passenden Titel gesucht. Und damit die frohe Botschaft von der Zukunft - "Il futuro!" - auch bei denen ankam, die nicht so genau hingehört hatten, flocht Renzi den Titel in voller Länge auch noch in seine Siegesrede ein. Er trug auch schon wieder einen dunklen Anzug, wie früher, als er Premier war. Er neigt nun mal zur Ungeduld.

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Es läuft die Operation Comeback, Teil eins. Renzi ist am Wochenende durch eine Urwahl, an der alle Wahlberechtigten teilnehmen konnten, erneut zum Vorsitzenden der Sozialdemokraten gewählt worden - mit siebzig Prozent der Stimmen. Seine Rivalen waren chancenlos: Justizminister Andrea Orlando, ein Postkommunist, brachte es auf 19,5 Prozent; Michele Emiliano, der Gouverneur Apuliens, schaffte 10,5 Prozent. In Italien war man nicht nur gespannt, wie hoch Renzi siegen würde, sondern auch, ob er seine Anhänger zur Teilnahme bewegen könne.

Die Erwartungen waren bescheiden, bedingt durch die angebliche Ermattung der linken Wähler und durch eine unglückliche Terminierung: Viele Italiener nutzten das verlängerte Wochenende der Wahl für einen Ausflug. Mehr als eine Million Mitglieder und Sympathisanten der Partei, so hieß es vorab, würden nicht teilnehmen wollen. Für Renzis Ambitionen wäre das zumindest ein Dämpfer gewesen. Am Ende nahmen dann doch knapp zwei Millionen Italiener teil. Das sind zwar 900 000 weniger als vor vier Jahren, aber zugleich fast doppelt so viele wie erwartet.

In den großen Städten blieben die Urnen unter den vielen Zeltdächern der Partei länger offen als geplant, weil um 20 Uhr noch viele Menschen Schlange standen. Renzi sprach danach von einem "Fest der Demokratie", wie es in Italien nur der Partito Democratico veranstalte. Keine andere große Partei im Land bestimmt ihre Spitzen mit Urwahlen. Die Protestpartei Cinque Stelle führt ihre Wahlen online durch, auf dem Server eines privaten Internetunternehmens, von dem niemand weiß, wie er genau funktioniert. Renzi sagte dazu: "Bei uns sind die Wähler richtige Menschen aus Fleisch und Blut - keine Klicks, keine Algorithmen."

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Überhaupt konzentrierte der neue und alte Vorsitzende alle seine Attacken auf die Cinque Stelle von Beppe Grillo, seinem wichtigsten Gegner bei den nächsten Parlamentswahlen. Die beiden Parteien liegen seit etlichen Monaten gleichauf, bei etwa 30 Prozent. Renzi warf dem früheren Komiker Grillo vor, er politisiere mit Defätismus, Pessimismus und Komplotttheorien. "Wir stellen dem ein großes Projekt für Italien entgegen", sagte er, "mit Leidenschaft für dieses Land und mit Zukunftsglauben." Da war es wieder: "Il futuro!" Konkreter wurde er aber nicht.

Man fragt sich in Italien etwa, ob Renzi noch immer auf vorzeitige Neuwahlen dringt, wie er das seit der Niederlage beim Verfassungsreferendum Anfang Dezember immer wieder tat. Regulär endet die Legislaturperiode im kommenden Februar. Und da das Parlament davor noch neue Wahlgesetze verabschieden muss, scheint ein Vorziehen unmöglich zu sein. Doch Renzi sagte am Sonntag beiläufig, niemand wisse, wann gewählt würde. Eigentlich könnte er gelassen sein: An der Regierungsspitze sitzt Paolo Gentiloni, ein enger Vertrauter. Doch das scheint Renzi nicht zu reichen. Er befürchtet, Gentiloni könnte mit Steuererhöhungen seine eigene Kampagne durchkreuzen, den Teil zwei der Operation Comeback.

In seiner Siegesrede beschrieb Renzi die Zeit nach der Niederlage beim Referendum als "fünf schwierige Monate". Sie hätten ihn emotional schwer belastet, schließlich sei er kein Roboter. Er habe sogar überlegt, alles hinzuschmeißen. Doch solche Gedanken scheint er beim Hören von Luciano Ligabue verscheucht zu haben.

© SZ vom 02.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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