Urteil zur Vorratsdatenspeicherung:Das Schicksal der Grundrechte

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Das Bundesverfassungsgericht hätte die generelle Vorratsdatenspeicherung gern ganz generell für grundgesetzwidrig erklärt. Die Richter hätten zu diesem Zweck erklären müssen, dass die EU-Richtlinie, die die Vorratsdatenspeicherung vorschreibt, vom EU-Recht nicht gedeckt sei.

Doch das Verfassungsgericht hat die Richtlinie nicht angetastet, sondern - ähnlich wie beim Lissabon-Vertrag - nur deren Umsetzung in deutsches Recht moniert und hierfür bessere Regeln aufgestellt.

Das ist in Ordnung, aber nicht ausreichend.

Auf diese Weise werden die fundamentalen Gefahren der Datenspeicherung auf Vorrat nur ein wenig verkleinert, aber nicht beseitigt. Das Gericht weiß um das Potential zur Freiheitsgefährdung, die in der Vorratsdatenspeicherung steckt. Die ganze Sache ist ihm nicht geheuer. Deshalb klagt und warnt und droht es in seinem Urteil. Deshalb versucht das Gericht, die Ampeln für weitere Eingriffe in die Privatheit der Bürger auf Rot zu stellen - auch auf europäischer Ebene.

Man muss leider befürchten, dass solches Warnen und Drohen nichts hilft. Den Grundrechten der Bürger und ihrer Privatsphäre könnte es so ergehen wie dem Paulinchen im Struwwelpeter. In dieser Geschichte sind es zwei Katzen namens Minz und Maunz, die vor den Zündeleien warnen: "Und Minz und Maunz die Katzen, erheben ihrer Tatzen. Sie drohen mit den Pfoten: Der Vater hat's verboten! Miau! Mio! Miau! Mio! Lass stehn, sonst brennst Du lichterloh!"

So ähnlich liest sich das Karlsruher Urteil. Sechs Richter des Ersten Senats sind Minz und Maunz und drohen mit den Pfoten (zwei andere Richter schnurren brav, sie haben ein abweichendes Votum abgegeben). Paulinchen hört bekanntlich die Katzen nicht, "das Hölzchen brennt gar hell und licht". Und so bleibt am Schluss vom Paulinchen nur ein Häufchen Asche übrig. Das darf den Grundrechten in Europa nicht passieren.

Wenn die Totalspeicherung der Telekommunikationsdaten auf Vorrat so gefährlich ist, wie es die Verfassungsrichter beschrieben haben - und sie haben recht mit dieser Beschreibung - dann dürfen sie es bei bloßen Warnungen nicht mehr belassen. Der Jubel über das wichtige Urteil des Bundesverfassungsgerichts bleibt einem daher im Halse stecken.

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