Urteil zu Lissabon-Vertrag:"Jetzt bleiben wir Motor in Europa"

Saarlands Ministerpräsident und amtierender Bundesratspräsident Peter Müller über die Auswirkungen des Urteils aus Karlsruhe - und warum jetzt alles sehr schnell gehen kann.

Thorsten Denkler

sueddeutsche.de: Herr Müller, ist Ihnen mit dem heutigen Urteil zum Lissabon-Vertrag ein Stein vom Herzen gefallen?

Urteil zu Lissabon-Vertrag: Peter Müller (CDU)

Peter Müller (CDU)

(Foto: Foto: dpa)

Peter Müller: Es wäre schon seltsam gewesen, wenn am Ende der Lissabon-Vertrag an der Bundesrepublik Deutschland gescheitert wäre. Darum ist es gut, dass der Vertrag durch das Verfassungsgericht bestätigt worden ist. Das ist eine gute Grundlage für das Vorantreiben des Prozesses der europäischen Integration. Wir waren immer Motor in Europa und nicht Bremser. Jetzt bleiben wir Motor.

sueddeutsche.de: Welche Auswirkung wird das Urteil auf das Verhältnis von Bundesrat, Bundestag und europäischer Ebene haben?

Müller: Das Urteil führt zu einer Stärkung des Bundesrates im nationalen Kontext. Er muss stärker beteiligt werden, wenn es um Rechtsetzung auf europäischer Ebene und um Vertragsänderungsverfahren geht.

sueddeutsche.de: Ist der Bundesrat dafür nicht im Grunde zu weit weg von der europäischen Ebene?

Müller: Im Gegenteil. Es ist richtig, dass der Bundesrat als nationales Gesetzgebungsorgan in derartige Verfahren einbezogen wird. Es gibt noch kein europäisches Volk! Das hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht festgestellt. Darum muss die Beteiligung des deutschen Volkes über Bundestag und Bundesrat sichergestellt werden.

sueddeutsche.de: Mehr Entscheidungsebenen bedeuten auch längere Entscheidungswege. Ist Deutschland jetzt nicht doch der neue Bremser im politischen Europa?

Müller: Ich glaube nicht, dass das eine reale Gefahr ist. Wenn es um konkrete Gesetzgebungsvorschläge auf europäischer Ebene geht, ist es kein Problem, den Bundestag und den Bundesrat zeitnah damit zu befassen. Wir haben ähnliche Verfahren in der Vergangenheit schon gehabt. Da hat es nie relevante Verzögerungen gegeben.

sueddeutsche.de: Die Koalitionsfraktionen im Bundestag wollen schon am 8. September ein neues, dann verfassungskonformes Begleitgesetz verabschieden. Der Bundesrat muss auch mit dem Gesetz befasst werden...

Müller: ... Moment. Der Bundesrat muss nicht nur beteiligt werden. Ich gehe davon aus, dass das Gesetz der ausdrücklichen Zustimmung durch den Bundesrat bedarf. Es geht hier um originäre Rechte des Bundesrates. Darum ist es nicht vorstellbar, dass in einem solchen Gesetzgebungsverfahren der Bundestag alleine entscheidet.

sueddeutsche.de: Ist das so schnell zu schaffen? Die Sommerpause beginnt, der Bundestagswahlkampf beginnt - und das Karlsruher Urteil macht nicht gerade den Anschein, als wäre das Gesetz mal eben zwischen Tür und Angel geschrieben.

Müller: Ich bin mir sicher, dass der Bundesrat bereit ist, sich zügig an der Beschlussfassung über ein solches Gesetz zu beteiligen. Wenn es notwendig sein sollte, auch mit Sondersitzungen der betreffenden Ausschüsse. Der Bundesrat könnte am 18. September über das Begleitgesetz entscheiden.

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