Urteil:Lange Gefängnisstrafen im Fall Lügde

Die zwei Haupttäter haben mindestens 32 Kinder sexuell missbraucht. Das Gericht ordnet spätere Sicherungsverwahrung an.

Von Jana Stegemann, Detmold

- Im Prozess um den hundertfachen Kindesmissbrauch von Lügde hat die Jugendschutzkammer des Landgerichts Detmold am Donnerstag lange Haftstrafen gegen die beiden Hauptangeklagten verhängt. Der 56-jährige Dauercamper Andreas V. muss für 13 Jahre ins Gefängnis, unter anderem wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs in 223 Fällen. Er hatte auch seiner Pflegetochter jahrelang sexuelle Gewalt angetan. Mario S., 34, erhielt zwölf Jahre, weil er sich mindestens 15 Jahre lang an Mädchen und Jungen vergangen hat. Zudem ordnete die Vorsitzende Richterin Anke Grudda anschließende Sicherungsverwahrung für beide Männer an.

"Nach wie vor fällt es schwer, das Geschehen in Worte zu fassen", sagte Grudda. Worte wie "abscheulich, monströs, widerwärtig" reichten nicht aus. Zwei Jahrzehnte lang hatte Andreas V. auf einem Campingplatz im Kreis Lippe Mädchen im Alter von vier bis 14 Jahren sexuell missbraucht. Obwohl es immer wieder Hinweise auf seine Neigung gab, wurde er nicht gestoppt. Die Männer fertigten zudem kinderpornografisches Material von ihren Taten an.

Lügde gilt als bisher schwerster Fall von Kindesmissbrauch in der Geschichte Nordrhein-Westfalens. Übergriffe auf 34 Kinder und Jugendliche waren angeklagt, verurteilt wurden Verbrechen an 32 Opfern. Die Zahl der geschädigten Kinder sei aber vermutlich viel höher, sagte Richterin Anke Grudda. Angesichts des "unfassbar langen Tatzeitraums" stelle sich zudem die Frage, warum der Missbrauch so lange unentdeckt blieb.

Die Richterin sprach die Verurteilten direkt an: "Sie haben 32 Kinder und Jugendliche zu austauschbaren Objekten Ihrer sexuellen Begierden degradiert und 32 Kindheiten zerstört." Mario S. hielt den Kopf gesenkt, Andreas V. schaute die Richterin unbewegt an. Die Kammer, hieß es in der Urteilsbegründung, habe nicht den Eindruck gewonnen, dass die Angeklagten auch nur ansatzweise verstanden hätten, welche Schuld sie auf sich geladen hätten. "Wir haben hier Kinder im Gerichtssaal erlebt, die unter Schlaflosigkeit, Albträumen, Angstzuständen leiden. Kinder, die sich selbst verletzen", so Grudda.

Strafmildernd wirkte sich aus, dass die Angeklagten am ersten Verhandlungstag nahezu alle Taten eingeräumt hatten. Die Höchststrafe von 15 Jahren wäre nicht revisionsfrei zu begründen gewesen, sagte Grudda. Für das Gericht bestehe aber überhaupt kein Zweifel an der Sicherungsverwahrung: "Sie ist zwingend erforderlich, Sie sind gefährlich", sagte sie zu den Angeklagten. Eine Gutachterin hatte den beiden eine "pädophile Störung" sowie eine hohe Rückfallgefahr attestiert.

Weil im Lügde-Komplex auch Behörden Versagen vorgeworfen wird, ermittelt die Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben unter anderem gegen acht Mitarbeiter von Jugendämtern und gegen zwei Polizeibeamte. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte nach dem Lügde-Urteil: "Wir müssen besser und schneller werden, um diese monströsen Taten in Zukunft zu verhindern."

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