Urteil gegen Messerstecherin:Der Staat darf junge Menschen nicht den Islamisten überlassen

Das Urteil gegen die 16-jährige Safia S. ist hart. Aber die Haft kann für das Mädchen eine Chance sein, den Rattenfängern zu entkommen.

Kommentar von Annette Ramelsberger

Jugendliche Straftäter haben zu Recht sehr viel niedrigere Strafen zu erwarten als Erwachsene. Es ist ein Unterschied, ob ein irrlichternder 18-Jähriger eine Tat begeht oder ein gefestigter 40-Jähriger. Die Strafe für Jugendliche soll auch nicht der Vergeltung dienen, sondern vor allem der Erziehung, der Besserung. Junge Menschen sollen eine Chance bekommen. Das ist richtig so.

Im Fall der erst 16 Jahre alten Safia S. aus Hannover aber weiß man dennoch nicht so recht, ob es nicht besser wäre, sie möglichst lange im Gefängnis zu behalten - nicht um sie möglichst hart zu strafen, sondern um ihr zu helfen. Das Mädchen hat vor einem Jahr, da war sie gerade 15, einem ahnungslosen Polizisten am Hauptbahnhof von Hannover ein Messer in den Hals gerammt - in Mordabsicht. Nun wurde sie vom Oberlandesgericht Celle zu sechs Jahren Haft verurteilt - so viel wie auch die Anklage gefordert hatte. Das ist erstaunlich, lässt sich aber erklären. Offenbar haben auch das Gericht Gedanken bewegt, wie man diesem Mädchen am besten helfen kann.

Der Staat muss Safia S. vor den Rattenfängern schützen

Denn die Haft könnte für dieses Mädchen nicht nur Strafe, sondern Schutz bedeuten - Schutz vor einer Mutter, die sie von Kindheit an in eine radikale Moschee mitnahm. Schutz vor einem Prediger wie Pierre Vogel, der sie schon als kleines Mädchen wie einen dressierten Papagei seinen islamistischen Fans vorstellte - als Kind, das freiwillig Schleier trug und den Koran schöner rezitieren konnte als er selbst. Safia S. wurde unter dem Einfluss dieser radikalen Szene regelrecht zur Attentäterin herangezüchtet. Dass sie am Ende für den IS morden wollte, ist nur das Ende einer Entwicklung. Sie ist nun die jüngste IS-Attentäterin auf deutschem Boden.

Die Haft könnte Safia S. nun den Freiraum geben, Abstand zu finden von den Radikalen. Das wäre die gute Variante. Die andere heißt: In der Haft könnte sie noch schlimmer radikalisiert werden. Denn überall in den Haftanstalten versuchen überzeugte Islamisten, Schäfchen für ihren Dschihad zu gewinnen. Sie versprechen erst die Gemeinschaft, dann das Paradies. Für einsame junge Menschen ist das eine Verlockung. Es ist nun Aufgabe des Staates, diese Rattenfänger nicht an Safia S. heranzulassen. Die Gesellschaft hat eine Fürsorgepflicht für dieses verführte, verirrte Kind. Man muss sich um sie kümmern - bevor es die Islamisten tun.

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