Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts:Ja, aber. Aber ja

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Das Karlsruher Urteil zu ESM und Fiskalpakt weicht den wichtigsten Fragen aus. Es will ein Grundsatzurteil sein, hat aber Angst vor dem Grundsätzlichen. Es ist wieder einmal ein Ja-aber-Urteil. Aber das Ja dieses Urteils ist diesmal so kraftlos wie das Aber. Der Versuch der Richter, die deutsche Haftungssumme zu deckeln, wird wohl nicht funktionieren.

Heribert Prantl

Das Karlsruher Urteil bringt Europa nicht weiter, es bringt Deutschland nicht weiter und die Demokratie auch nicht. Dieses Urteil weicht nämlich den wichtigsten Fragen aus. Es will ein Grundsatzurteil sein, aber es hat Angst vor dem Grundsätzlichen. Es ist, wie beim Bundesverfassungsgericht üblich, wenn es um Europa geht, ein "Ja, aber"-Urteil. Aber das Ja dieses Urteils ist diesmal so kraftlos wie sein Aber. Es ist ein seufzendes "Aber ja"-Urteil.

Die Richter versuchen, die deutsche Haftungssumme auf 190 Milliarden Euro zu deckeln, obwohl sie wissen, dass das kaum funktionieren wird. Es wird dies kaum funktionieren, weil auf die Europäische Zentralbank der Karlsruher Deckel nicht passt.

Die EZB-Problematik aber haben die Richter weitgehend ausgeklammert, sie haben sie gescheut, sie haben sie verschoben - bis zu dem Urteil, das irgendwann im Hauptsacheverfahren ergehen wird. Bis dahin macht die Europäische Zentralbank was sie will; und vielleicht ist das gut so, weil das Verfassungsgericht letztendlich nicht weiß, was es will. Es ist in europäischen Angelegenheiten ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt.

Gewiss, all die Karlsruher Entscheidungen seit dem Maastricht-Urteil von 1993 haben auch ein großes Verdienst: Sie haben den Bundestag, der sich in EU-Angelegenheiten selbst entmachtet und ins Abseits gerückt hatte, wieder in sein Recht gesetzt.

Verweigerungskompetenz statt Gestaltungskompetenz

Die Richter haben in den europäischen Angelegenheiten das nationale Parlament gestärkt, und sie tun es auch in diesem Urteil wieder ein wenig. Aber diese Methode ist jetzt ausgereizt. Das nationale Parlament kann die demokratische Kontrolle von gewaltigen Euro-Rettungsprojekten nicht gewährleisten.

Die nationale Demokratie hat, was Europa betrifft, keine Gestaltungskompetenz mehr, sondern nur noch Verweigerungskompetenz; sie kann, wenn sie sich sehr anstrengt, nein sagen zu EU-Großprojekten und Rettungsschirmen. Aber das reicht nicht. Mit einer Notbremse kann man nicht steuern.

Die europäischen Projekte verlangen nicht mehr nur nach nationaler, sondern nach europäischer Demokratie. Und hier hat sich Karlsruhe auf törichte Weise selbst entmachtet und gefesselt.

Kläger in Karlsruhe: der CSU-Politiker Peter Gauweiler und die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) vor der Urteilsverkündung im Bundesverfassungsgericht (Foto: dpa)

Das Verfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen die europäische Demokratie nicht ermuntert, sondern bekrittelt, es hat das Europäische Parlament nicht bestätigt, sondern verspottet; es hat ihm vorgeworfen, noch kein richtiges Parlament zu sein, aber nichts dazu gesagt, wie es zu einem starken Parlament wird; Karlsruhe hat hier nur negative, nicht positive Kritik geübt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich auf diese Weise im Turm der schwarz-rot-goldenen Demokratie eingemauert.

Keine Sternstunde, aber ein Schlüsselereignis

Die europäische Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Art Martinszug und sie folgt dem Lied, das dabei gesungen wird: "Ich geh mit meiner Laterne, und meine Laterne mit mir. Und oben da leuchten die Sterne, und unten, da leuchten wir."

Oben leuchten immer noch die europäischen Sterne, und sie leuchten umso heller, je dunkler es um sie herum ist. Es ist sehr dunkel derzeit. Aber das Karlsruher Licht in der Laterne wird schwächer. In der Strophe fünf des Martinsliedes heißt es: "Mein Licht ist aus, ich geh nach Haus. Rabimmel, Rabammel, Rabumm."

So wird es sein: Wenn es definitiv gilt, über die EZB-Beschlüsse zu entscheiden, wird das Bundesverfassungsgericht die Sache mit vielen mahnenden Worten dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vorlegen.

Es wird dies das erste Mal sein in der Geschichte des Karlsruher Gerichts - keine Sternstunde, aber ein Schlüsselereignis für Europa.

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