Als Ursula von der Leyen am Mittwoch anhob, über die Rolle Deutschlands in der Welt zu reden, ging im Haus der Bundespressekonferenz der Feueralarm los. Es handelte sich um einen Fehlalarm, doch als von der Leyen und ihre Zuhörer zurück in den Saal durften, waren zehn Minuten vergangen.
Also versuchte die Verteidigungsministerin gar nicht mehr, den großen Bogen zu spannen, sondern sprach über das Thema, für das sie gekommen war: ihr Gesetz, das die Bundeswehr attraktiver machen soll. Besser so.
Seit zehn Monaten ist von der Leyen im Amt, und man kann nicht behaupten, dass sich nichts bewegt hätte. Ob das Attraktivitätsgesetz massenhaft junge Menschen zur Truppe lockt, muss man abwarten - doch es schafft bessere Bedingungen. Ähnlich sieht es mit den Versuchen der Ministerin aus, Licht ins Dunkel des Rüstungswesens zu bringen. Über die außenpolitische Komponente ihres Amtes kann man das jedoch nicht sagen. Von der Leyen reduziert sich zur reinen Bundeswehrministerin.
Natürlich wird Außenpolitik im Auswärtigen Amt (und im Kanzleramt) gemacht. Aus dem Verteidigungsministerium aber sollten die entscheidenden sicherheitspolitischen Impulse kommen, ohne die sich keine außenpolitische Gesamtlinie entwickeln lässt.
Doch wenn von der Leyen über die Weltlage und ihre Folgen redet, dann klingt das meist wie abgelesen. Und was sie auf diesem Gebiet angestoßen (oder angetippt) hat, blieb ohne Folgen.
Im Stil einer Examenskandidatin
Was ist denn mit der neuen deutschen Verantwortung, von der sie im Sog des Außenministers und des Bundespräsidenten redete? Die soll sich, falls es zu einer Trainingsmission im Irak kommt, mal wieder darin erschöpfen, dass die Bundeswehr Soldaten ausbildet, sich dabei aber von anderen beschützen lässt.
Und beim möglichen Einsatz in der Ostukraine, ebenfalls von der Ministerin ins Spiel gebracht, waren von Beginn an zentrale Fragen ungeklärt. Davon einmal abgesehen: Es fehlt die große Linie. Nun soll ein neues Weißbuch entstehen. Das verschafft von der Leyen Zeit.
Dass sie diese Zeit, was Sicherheitspolitik angeht, so dringend braucht, liegt an ihrer Methode: Sie nimmt sich ein Thema vor (Attraktivität, Rüstung), eignet es sich im Stil einer Examenskandidatin bis in die letzten Details an und verkauft es auf großer Bühne. Alles andere bleibt links liegen, unter Studenten ist das als "Lernen auf Lücke" bekannt.
Die Methode hat in von der Leyens Karriere bislang gut funktioniert, doch nun steht sie an der Spitze eines Ministeriums, das von der Themenpalette her kaum breiter sein könnte. Sie reicht von Ersatzteilen für Kettenfahrzeuge über die Rentenbezüge ehemaliger Zeitsoldaten bis zur Frage, aus welchen Konflikten die Kriege von morgen werden könnten.
Die Tunnelblick-Methode, so viel lässt sich nach zehn Monaten sagen, stößt da eindeutig an ihre Grenzen. Stattdessen sollte sich von der Leyen mal an jene Vorgabe erinnern, laut der die Bundeswehr auch künftig alle militärischen Fähigkeiten behalten soll, statt sich auf einzelne zu spezialisieren. Sie lautet: Breite vor Tiefe.