Süddeutsche Zeitung

Hochinzidenzgebiet:Wie sicher ist Urlaub in Spanien?

Spaniens Tourismusministerin wirbt um das Vertrauen von Urlaubern. Die Inzidenz allein sei nicht der geeignete Richtwert. Doch nun spitzt sich in Kataloniens Krankenhäusern die Lage zu.

Von Karin Janker, Madrid

Offiziell will man nichts gesagt haben. Es handele sich um die souveräne Entscheidung eines anderen Staates, die man nicht kommentieren wolle, hieß es am Wochenende aus spanischen Regierungskreisen über die Hiobsbotschaft für die Tourismusbranche des Landes. Am Freitag hatte die Bundesregierung bekannt gegeben, dass Spanien von diesem Dienstag an als Hochinzidenzgebiet gilt. Das heißt für ungeimpfte Reiserückkehrer: zehn Tage Quarantäne, frühestens nach fünf Tagen kann man sich freitesten.

Für Spaniens Wirtschaft ist es ein Tiefschlag, er kam mit Ansage. Man hatte die Entscheidung erwartet - und deshalb im Vorfeld natürlich doch einiges dazu zu sagen. Tourismusministerin Reyes Maroto bat darum, Spanien nicht zu "stigmatisieren". Spanien sei ein sicheres Land, Grund zur Panikmache gebe es nicht. Als Maroto dies sagte, lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei 200 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner. Das war vor zwei Wochen. Inzwischen liegt die Inzidenz landesweit bei 338 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen. Besonders viele Neuinfektionen gibt es in der jüngeren, bislang ungeimpften Bevölkerung: Für die 20- bis 29-Jährigen liegt die Inzidenz bei 1884.

Spanien wollte attraktiv sein für Reisende, fast alle Maßnahmen zur Ansteckungsprävention liefen vor Beginn der Urlaubssaison aus. War das voreilig? Nun jedenfalls könnten nicht nur die Inzidenzwerte, sondern auch die deutsche Reisewarnung Urlauber abschrecken. Wer will schon nach dem Strand in Quarantäne? In Spanien stellen Deutsche traditionell die zweitgrößte Gruppe ausländischer Besucher nach den Briten, und denen rät ihre Regierung ebenfalls vom Spanienurlaub ab. Für die darbende spanische Tourismusbranche, die gut zwölf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt des Landes beiträgt, wäre ein Ausbleiben der Touristen fatal.

85 Prozent der über 40-jährigen Spanier sind voll geimpft

Dass Spanien trotz allem ein sicheres Reiseland sei, begründet Tourismusministerin Maroto damit, dass bereits große Teile der Bevölkerung geimpft seien. Tatsächlich liegt Spanien beim Anteil der vollständig geimpften Bevölkerung inzwischen vor Deutschland. Das liegt zum einen daran, dass in Spanien deutlich mehr Menschen eine Sars-CoV-2-Infektion durchgemacht haben und daher nur eine Impfdosis bis zum vollständigen Schutz benötigen. Zum anderen aber ist in Spanien auch die Impfbereitschaft höher als in Deutschland. Spanien organisiert seine Impfungen streng nach Altersgruppe und hat auf diese Weise bereits 85 Prozent der über 40-Jährigen komplett geimpft.

Vor diesem Hintergrund also heißt es aus der spanischen Regierung auch in Richtung Deutschland, dass man sich von der Inzidenz als alleinigem Indikator für Reisesicherheit verabschieden solle. Es sei stattdessen angezeigt, neben der Impfquote auch die Lage in den Krankenhäusern im Reiseland zu betrachten. Und die sei in Spanien bislang nicht besorgniserregend.

Das stimmt. Laut spanischem Gesundheitsministerium kann von einer Überlastung der Krankenhäuser keine Rede sein. Derzeit liegt die Auslastung der Intensivstationen landesweit bei 14 Prozent, nachdem sie zuvor bei niedriger Inzidenz wochenlang bei sechs Prozent stagniert hatte. Vergleicht man die Situation in den Krankenhäusern mit Mitte Januar, als zuletzt die Inzidenz ähnliche Werte erreicht hatte, so lag die Auslastung der Intensivstationen damals mit knapp 30 Prozent deutlich höher.

Allerdings zeigt ein genauerer Blick, dass es durchaus Regionen gibt, in denen sich auch jetzt die Situation in den Krankenhäusern zuspitzt: In der Region Katalonien mit den beliebten Reisezielen Barcelona und Costa Brava sind inzwischen 40 Prozent der Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt. Hier ist man wieder bei einer Auslastung wie Mitte Januar. In absoluten Zahlen heißt dies: Dort benötigen derzeit 505 Menschen intensivmedizinische Behandlung. Jeder Fünfte von ihnen ist den katalanischen Behörden zufolge jünger als 40 Jahre.

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