Urheberrecht:Teurer Ohrwurm

Warum hört man in Filmen Leute nie "Happy Birthday" singen? Weil das Lied urheberrechtlich geschützt ist und damit teuer. Neue Dokumente könnten dies jedoch über den Haufen werfen.

Von Tobias Kniebe

Wenn auf der Kinoleinwand oder im Fernsehen ein Geburtstag gefeiert wird, wirkt die Szene oft seltsam irreal. Niemand stimmt "Happy Birthday" an, stattdessen hört man seltsame Melodien wie "For He's a Jolly Good Fellow", die im echten Leben niemand singen würde. Warum? Weil es für die Produzenten billiger ist.

Für "Happy Birthday", vielleicht das bekannteste Lied der Welt, wurde im Jahr 1935 ein Copyright eingetragen, das inzwischen dem Musikverlag Warner/Chappell gehört. Der verlangt für jede Nutzung in Film, Fernsehen und Werbung zwischen 1500 und 50 000 Dollar - und verteidigt diesen Anspruch mit allen Mitteln. Die Einnahmen sollen sich jährlich auf etwa zwei Millionen Dollar summieren.

Dagegen läuft nun eine Klage der Regisseurin Jennifer Nelson, die an einer Dokumentation über die Geschichte von "Happy Birthday" arbeitet. Warner/Chappell berechnete auch ihr 1500 Dollar für die Nutzungsrechte, die sie bezahlte. Bei ihren Recherchen kam sie allerdings zu der Überzeugung, dass der Anspruch auf das Copyright juristisch anfechtbar ist. Sie beschloss, die Sache gerichtlich überprüfen zu lassen, und nicht nur in eigener Sache: Wird ihrer Klage stattgegeben, werden all jene ihr Geld zurückerhalten, die seit 2009 für die kommerzielle Verwendung des Songs bezahlt haben. Rechnet man diese und künftige Einnahmen zusammen, geht es um sehr viel Geld.

Nun recherchieren Anwälte, Archivare und Musikhistoriker auf beiden Seiten. Kürzlich reichten die Kläger neue Dokumente ein, die ihre Argumentation stützen sollen. Denn die Entstehungsgeschichte von "Happy Birthday" ist komplex. Einigkeit herrscht noch darüber, dass die Melodie von zwei Schwestern aus Kentucky stammt: Patty Hill war Kindergärtnerin, Mildred Jane Hill Organistin und Musiklehrerin, als sie 1893 das Büchlein "Song Stories for the Kindergarten" herausbrachten. Darin gab es das Lied "Good Morning to All", das zwar die komplette Tonfolge, aber noch nicht den Text von "Happy Birthday" enthielt.

Damals war das Konzept der Geburtstagsparty relativ neu - der Kuchen zum Fest etwa wurde erst um 1850 herum populär. Bald aber gab es in Sachen Feierlaune kein Halten mehr - und das große Rätsel des Rechtsstreits ist nun, wer als Erster auf die Idee kam, Geburtstagsverse zum simplen Ohrwurm der Hill-Schwestern zu singen. Waren es Kinder, die spontan für einen Freund oder eine Freundin zu Dichtern wurden? War es ein Einfall, den man heute viral nennen würde, der sich wie von selbst verbreitet und irgendwann allen gehört? Jennifer Nelson und ihre Anwälte wollen nachweisen, dass es die Hill-Schwestern und ihr Musikverleger jedenfalls nicht waren. Die ließen sich das Copyright für die "Birthday"-Version zwar 1935 sichern, aber offenbar erst, nachdem der neue Text schon Jahrzehnte im Umlauf und auch längst in Gesangsbüchern (etwa von 1927) abgedruckt war, ohne Angabe eines Autors. Damit könnte die Klägerin vor Gericht durchkommen.

Aber selbst wenn nicht - irgendwann endet auch das lukrativste Copyright automatisch. In der EU wird es Ende nächsten Jahres so weit sein, in den USA spätestens 2030. Wenn wir dann "Happy Birthday" demnächst auch im Kino hören, wissen wir, warum.

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