Süddeutsche Zeitung

Urheberrecht:Ein Kampf um die Aufklärung

Das EU-Parlament verteidigt heute das Recht gegen die Digitalkapitalisten von Google und Co.

Von Heribert Prantl

Google, Facebook und Co. sind die erfolgreichsten Unternehmen der Weltgeschichte. Sie sind es nicht einfach nur deswegen, weil sie so ungeheuer viel Geld verdienen; sie sind es auch deswegen, weil sie etwas geschafft haben, was kein Großindustrieller und kein Großkapitalist vor ihnen jemals geschafft hat. Google, Facebook und Co. haben es geschafft, dass jede Kritik an ihrem Geschäftsmodell, dass jedwedes Unterfangen, ihre Geld- und Marktmacht einzuschränken, ja, dass schon jeder Versuch, auch nur die geltenden Rechtsregeln auf ihre Unternehmen anzuwenden, als Angriff auf ihre Existenz, ja auf die Freiheit überhaupt verstanden wird.

Ob und wie erfolgreich sie damit sind, wird sich am heutigen Mittwoch im Europäischen Parlament zeigen. Es wird dort über die neue Urheberrechts-Richtlinie abgestimmt, die versucht, das Urheberrecht zu stabilisieren, das ein Kernrecht der Aufklärung ist. Die Kritiker des Urheberrechts, eine ganze Armada von Digitalkonzern-Lobbyisten und von Netzaktivisten, tun so, als stünde mit der Urheberrechts-Richtlinie die Zerstörung des Internets bevor. Von bösartiger Überwachung, von Zensur, von einer Link-Steuer wird fabuliert - von einer Verschwörung der alten, analogen Welt gegen die neue, digitale. Das ist himmelschreiender Unfug, aber ein beachtlicher Wording-Erfolg der Internetkonzerne.

Google, Facebook und Co. haben es verstanden, diejenigen als bemitleidenswerte Deppen einer überkommenen Welt dastehen zu lassen, die sich nicht damit abfinden wollen, dass sie zugunsten der Großdigitalisten entrechtet und enteignet werden. Bei den Entrechteten und Enteigneten handelt es sich um Autoren und Komponisten, um Musiker und Regisseure, um Buch- und Presseverleger, um Film- und Fernsehproduzenten. Es geht um die kreativen Berufe und um ihr geistiges Eigentum, das sich Urheberrecht nennt. Es ist dies das Recht der Menschen, die von dem, was sie denkend schaffen, leben müssen; das geht nicht mehr, wenn ein jeder ohne Entgelt darauf zugreifen kann. Genau das fordern Netzaktivisten als nützliche Helfer der digitalen Konzerne; sie sagen, sie würden die Meinungs- und Informationsfreiheit verteidigen. In der Realität verteidigen sie Gewinninteressen von Google und Co.

Das Urheberrecht gibt es seit der Aufklärung, Immanuel Kant hat es begründet: Als nach der Jahrtausend-Erfindung Gutenbergs immer mehr Nachdrucker von Büchern behaupteten, sie hätten das Recht dazu durch den Kauf eines Buchexemplars erworben, schrieb Kant seine Abhandlung "Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks" und wies darin den Verfassern das geistige Eigentum zu. Ein Werk (also ein Text, eine Komposition, die Interpretation eines Lieds) gilt seitdem als wirtschaftlich verwertbarer Teil seines Schöpfers. Das Urheberrecht bildet eine Mauer, die die geistige Leistung des Urhebers umgibt. Wer hineinwill, der darf das, muss aber in der Regel dafür zahlen - Honorare und Lizenzen. Das ist die Grundidee, die das geistige Schaffen zweihundert Jahre lang befruchtet hat. Dann kamen die Digitalkonzerne und argumentierten, wie einst die Nachdrucker argumentiert hatten: Alles gehört uns. Das aber stimmt nicht.

Das EU-Parlament verteidigt also nicht einfach irgendein Recht. Es verteidigt den Geist der Aufklärung. Es verteidigt ihn gegen den Digitalkapitalismus.

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SZ vom 12.09.2018
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