Untersuchungsausschuss:Spitzengespräche

Wer warnte Edathy? Wer sprach mit Oppermann? Im Ausschuss kann Sigmar Gabriel sich nicht genau erinnern und nimmt einen CSU-Kollegen in Schutz.

Von Nico Fried, Friederike Zoe Grasshoff und Christoph Hickmann, Berlin

Der Tag, um den es geht, liegt ein Jahr und acht Monate zurück: der 17. Oktober 2013. Da kann einem schon mal das eine oder andere Detail verloren gegangen sein. Manchmal erinnert man sich dann wieder, wenn man intensiv darüber nachdenkt. Bei Sigmar Gabriels Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Fall Edathy ist freilich eher das Gegenteil der Fall. Die Erinnerung des SPD-Chefs wird immer diffuser.

Das ist nicht schön für Gabriel. Aber besser für seine Partei. Donnerstag, ein Anhörungssaal im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestags: Was hier geboten wird, soll eine Art großes Finale sein. Viele Monate hat sich der Untersuchungsausschuss bemüht, die politischen Verwicklungen dieses Falles aufzuklären. Nun soll der abschließende Aufmarsch prominenter Zeugen doch noch neue Erkenntnisse bringen: Als erstes kommt Hans-Peter Friedrich von der CSU, einst als Innenminister Informant von Sigmar Gabriel über den Fall Edathy. Und nach ihm eine SPD-Troika aus Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Fraktionschef Thomas Oppermann.

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Fast vier Stunden lang hat sich Hans-Peter Friedrich vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss erklärt.

(Foto: Ole Spata/dpa)

Die juristisch interessanteste Frage lautet: Hat jemand den damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Edathy über die Ermittlungen gegen ihn wegen des Besitzes von Bildern nackter Knaben informiert? Die politisch heikelste Frage aber lautet: Wer hat möglicherweise wann die Unwahrheit darüber gesagt, mit wem er wann kommuniziert hat?

Das betrifft vor allem Oppermann. Der gab bislang an, er sei von SPD-Chef Sigmar Gabriel über den Verdacht gegen Edathy informiert worden. Nach bisherigem Stand geschah das am 17. Oktober, irgendwann nach der dritten Sondierungsrunde von Union und SPD, die nachmittags vorbei war. Bereits um 15:29 Uhr ging an diesem Tag ein Anruf aus Oppermanns Büro im Bundeskriminalamt (BKA) ein, beim damaligen Präsidenten Jörg Ziercke - so zumindest die Aussage eines Beamten, der die Uhrzeit rekonstruiert hat. Wusste Oppermann schon vorher vom Verdacht gegen Edathy? Und wenn ja, von wem?

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Wer hat wann mit wem kommuniziert? SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte am Donnerstag im Edathy-Untersuchungsausschuss aus.

(Foto: Bernd Von Jutrczenka/dpa)

Ziemlich viele offene Fragen sind das. Und es wird ein langer Tag. Friedrich ist am Vormittag der erste Zeuge. Er ist ja der Gekniffene dieser Affäre: Weil er die SPD informiert hatte, musste er, inzwischen Landwirtschaftsminister, Anfang 2014 zurücktreten. Trotzdem rechtfertigt er sich dafür, dass er Gabriel informierte. Niemals aber habe er die Information weitergegeben, um Edathy zu warnen. Er habe vielmehr Schaden von der "gesamten politischen Klasse" abwenden wollen, da Edathy für ein "herausragendes Amt" infrage gekommen wäre. Gabriel sei "sichtlich überrascht" gewesen. "Ich bin davon ausgegangen, dass der zukünftige Vize-Kanzler diese Information vertraulich behandelt." Ob er nun von Gabriel enttäuscht sei? In Bayern sage man: "Shit happens." Am Nachmittag kommt Gabriel. Er berichtet dem Ausschuss vom Gespräch mit Friedrich am 17. Oktober 2013: Der Minister habe ihn informiert, dass Edathy wegen des Erwerbs von Nacktbildern mit Kindern aufgefallen sei. Es handele sich aber nicht um eine Straftat. Er, so Gabriel, habe sich über diese juristische Einschätzung gewundert, worauf der Minister sich noch einmal vergewissert und die Bewertung dann bekräftigt habe - mit dem Zusatz, dass noch weitere Ermittlungen folgen könnten. Als "hochanständig" habe er das Verhalten des CSU-Politikers empfunden, sagt Gabriel. Nach dem Gespräch mit Friedrich, sagt Gabriel, habe er den damaligen Fraktionschef Steinmeier informiert und mit ihm besprochen, auch Oppermann einzuweihen, der damals parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag war und in die Besetzung der Arbeitsgruppen für Koalitionsverhandlungen wie auch später in die Postenvergabe eingebunden wurde. Wann genau er mit Oppermann telefoniert habe, kann Gabriel nicht mehr sagen.

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Thomas Oppermann kann sich nach mehreren Fehlern, die er im Fall Edathy schon begangen hat, keine Ungenauigkeit mehr leisten.

(Foto: Ole Spata/dpa)

Und genau da wird es dann interessant. Zunächst meint Gabriel, er habe erst mit Oppermann gesprochen, als er nach Hause gefahren sei, möglicherweise vom Auto aus. Wenn das stimmte, wäre es weit nach 15.29 Uhr gewesen, als Oppermann schon mit BKA-Chef Ziercke telefoniert hatte. Je länger die Vernehmung Gabriels dauert, desto weiter rückt der mögliche Zeitpunkt des Telefonats nach vorne, so dass er am Ende doch wieder vor 15.29 Uhr gelegen haben könnte. Er könne sich nicht mehr erinnern, sagt Gabriel, und gibt sich reumütig: "Ich als Ausschussmitglied würde Zeugen hassen, die sich nicht erinnern können."

Steinmeier sagt in seiner Vernehmung, er habe sich mit Gabriel darauf verständigt, dass dieser Oppermann informieren solle, weil er die Information von Friedrich aus erster Hand erhalten habe. Schnell sollte das gehen, aber wann es genau war, weiß Steinmeier auch nicht.

Dann kommt Thomas Oppermann. Er wartet, bis die Fotografen den Saal verlassen haben, ehe er sich auf seinen Platz in der Mitte des Saales setzt. Er will keine Fotos zulassen, in denen er wie ein Angeklagter aussieht. Es ist 21.28 Uhr, als er beginnt, sein vorbereitetes Statement vorzulesen. Es sind mehrere Seiten. Der Fraktionschef steht unter Druck. Er kann sich nach mehreren Fehlern, die er im Fall Edathy schon begangen hat, keine Ungenauigkeit mehr leisten. Als erstes stellt er klar: "Ich habe Sebastian Edathy zu keinem Zeitpunkt über die Ermittlungen in Kanada und die belastenden Sachverhalte gegen ihn direkt oder indirekt informiert." Er sei überrascht gewesen von den Ermittlungen, von denen er durch Sigmar Gabriel nach dessen Gespräch mit Hans-Peter Friedrich erfahren habe. Er habe nur mit Steinmeier und seiner Nachfolgerin als Geschäftsführerin, Christine Lambrecht, über den Verdacht gegen Edathy gesprochen - und mit BKA-Chef Ziercke in jenem Telefonat am 17. Oktober um 15.29 Uhr, das er als Bestätigung des Sachverhaltes wertete, obwohl Ziercke nichts zum Fall gesagt habe. Zum Zeitpunkt des Gesprächs mit Gabriel macht Oppermann zunächst keine genauen Angaben. Die Vernehmung soll am 1. Juli fortgesetzt werden.

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