Unterhaus-Debatte:Konservativer Ex-Minister greift Mays Brexit-Pläne an

Kenneth Clarke zum Brexit

Ken Clarke äußert sich sarkastisch darüber, dass seine Partei auf eine Zusammenarbeit mit "netten Männern wie Donald Trump" hofft.

(Foto: AFP)
  • Bis Mitternacht diskutiert das britische Unterhaus über den Gesetzentwurf der konservativen Regierung zum EU-Austritt.
  • Brexit-Minister Davis fordert die Parlamentarier auf, das Referendum des Vorjahrs zu akzeptieren.
  • Labour-Politiker Starmer legt dar, warum das für seine Partei schwierig ist - sie aber trotzdem Ja sagen wird.
  • Ganz anders der Konservative Ken Clarke.

Von Barbara Galaktionow

Es war eine Marathon-Debatte: Bis in die Nacht diskutierte das britische Unterhaus am Dienstag über den Gesetzentwurf der Regierung zum EU-Austritt.

Die Länge der Debatte steht in scharfem Gegensatz zur Kürze des Gesetzentwurfs, über den die Abgeordneten zu befinden haben. Er besteht nur aus einem Satz: "Die Premierministerin darf die Absicht des Vereinigten Königreichs zum Austritt aus der EU bekannt geben, gemäß Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union." Sprich: Die Parlamentarier sollen Theresa May erlauben, den Brexit-Prozess formell einzuleiten. Das höchste Gericht des Vereinigten Königreichs hatte geurteilt, dass das Unterhaus hierbei nicht übergangen werden dürfe.

Brexit-Minister David Davis betonte zum Auftakt der Debatte, dass die Entscheidung für den EU-Austritt des Landes mit dem Referendum im vergangenen Jahr längst gefallen sei. Es gehe daher nur noch um deren Umsetzung. Er forderte die Abgeordneten auf, dem Gesetz zuzustimmen, auch wenn sie selbst gegen einen Brexit seien. Letztlich gehe es bei ihrem Votum um die Frage: "Vertrauen wir dem Volk oder nicht?"

Dass der Gesetzentwurf, über den kommende Woche abgestimmt werden soll, am Ende durchgehen wird, gilt als sicher. So gut wie alle Parlamentarier der konservativen Torys werden für das Austrittsgesetz stimmen. Mindestens eine Ausnahme wird es allerdings geben. So kündigte das konservative Urgestein Kenneth "Ken" Clarke an, er werde seine Zustimmung verweigern. Clarke war unter anderem Minister ohne speziellen Geschäftsbereich unter David Cameron und sitzt seit 1970 im Parlament. Er denke nicht, dass es im Interesse des Vereinten Königreichs sei, die EU zu verlassen, sagte Clarke.

Er betonte, dass er mit seiner Pro-EU-Position nur genau die Position vertrete, für die die Konservative Partei über Jahrzehnte hinweg gestanden habe. Das Argument, er müsse im Sinne des Referendum-Ergebnisses abstimmen, wies er zurück. Die Ja/Nein-Diktion der Volksabstimmung sei von vornherein völlig ungeeignet für so ein komplexes Thema gewesen. Kein "vernünftiges Land" halte Referenden ab. Hinzu käme die "armselige" Argumentation beider Seiten im Wahlkampf.

Dem weißen Kaninchen hinterher

Clarke zeigte sich überzeugt, dass es vor allem wirtschaftlich völlig unsinnig sei, den gemeinsamen Markt und die Zollunion der EU zu verlassen. Für die von Regierungschefin Theresa May in Aussicht gestellte "großartige globale neue Wirtschaft", wie Clarke formulierte, fand er nur Spott.

In Anlehnung an eine Episode in Lewis Carolls Roman "Alice im Wunderland" sagte er, es sei, als würde man dem weißen Kaninchen hinunter in seinen Bau folgen, um in einem Wunderland herauszukommen, wo plötzlich Länder aus aller Welt Schlange stünden, um Handelsverträge mit Großbritannien abzuschließen, inklusive "netter Männer wie Donald Trump". Am Ende seiner Rede bekam Clarke hörbare Zustimmung - wobei die Abgeordneten nicht nur wie im britischen Parlament üblich das typische Raunen hören ließen. Manche Abgeordnete klatschten sogar - ein laut dem britischen Guardian seltenes Ereignis, da es im Unterhaus nicht erlaubt sei.

Für Labour ein schwieriges Gesetz

Doch auch wenn einzelne Konservative wie Clarke die Brexit-Pläne nicht unterstützen, scheint das Gesetz nicht gefährdet. Denn auch die Mehrheit der Labour-Abgeordneten wird das Gesetz voraussichtlich durchwinken, wenn auch unter Schmerzen. Die Partei hatte für "Remain" (Verbleib in der EU) gekämpft. Nichtsdestotrotz hat Labour-Chef Jeremy Corbyn seiner Partei nun verordnet, dem Ergebnis des Referendums zu folgen.

Der Abgeordnete Keir Starmer erläuterte im Parlament die Position seiner Partei. "Dies ist ein kurzes Gesetz und ein einfaches", sagte er. "Aber für Labour ist es ein sehr schwieriges Gesetz." Labour sei eine zutiefst internationalistische und proeuropäische Partei. In der EU zu sein, habe viele Vorteile, nicht zuletzt teile man gemeinsame Werte.

"Kein Blankoscheck für May"

Doch vor allem sei Labour auch eine demokratische Partei. Und "als Demokraten müssen wir das Votum akzeptieren", sagte er. Die Zustimmung zu dem Gesetz sei jedoch kein Blankoscheck für Theresa May. Starmer betonte, dass das Parlament auch weiterhin in vielen Bereichen das Recht habe mitzureden, vom Einwanderungsrecht bis hin zu Steuerfragen. Zudem forderte er, dass das Vereinigte Königreich mit der EU in bestimmten Bereichen auch weiterhin eng zusammenarbeiten solle, beispielsweise bei der Terrorbekämpfung, eine Absicht, die May allerdings auch schon bekundet hatte.

Am Ende der Verhandlungen müsse ein Ergebnis stehen, dass für alle Briten akzeptabel sei, ganz gleich, ob sie für "Leave" oder "Remain" gestimmt hatten, verlangte Starmer.

Nun geht es beim Brexit allerdings erst mal in die Anfangsrunde. Dem Willen der May-Regierung nach soll der Gesetzentwurf bis zum 7. März durch beide Kammern des Parlaments gepeitscht werden. Mittwochabend soll im Unterhaus abgestimmt werden. Bis spätestens Ende März will die Premierministerin den EU-Austritt formell beantragen.

Noch offen ist derzeit allerdings, wann die Regierung dem Parlament einen detaillierten Plan über ihre Austrittsstrategie vorlegen wird, das sogenannte "White Paper". Brexit-Minister Davis versprach bei der Debatte nur weiterhin wolkig, dass dies geschehen werde, "sobald es vernünftigerweise möglich" sei.

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