Unruhen in Teheran:Clinton wirft Iran Scheinheiligkeit vor

Lesezeit: 3 min

Jagdszenen in Teheran: Mit aller Härte geht das Mullah-Regime gegen Demonstranten vor. Abgeordnete fordern den Tod für die Oppositionsführer. US-Außenministerin Clinton spricht den Demonstranten Mut zu - und attackiert die iranische Führung.

Die Nachwehen der Revolutionen in Ägypten und Tunesien greifen auf Iran über - und das Regime reagiert mit Härte. Zehntausende waren am Montag in Teheran auf die Straße gegangen. Bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften wurde ein Passant getötet, mehrere Demonstranten seien mit Schussverletzungen ins Krankenhaus gebracht worden, berichteten Augenzeugen. In der Nacht auf Dienstag patrouillierten Sicherheitskräfte durch die Straßen von Teheran, um die Proteste zu unterdrücken.

Findet deutliche Worte zur Lage in Teheran: US-Außenministerin Hillary Clinton. (Foto: dpa)

Am Montag sei die Menschenmenge zunächst schweigend entlang der Straße der Revolution in Richtung Azadi-Platz marschiert, berichtete der Nachrichtensender CNN. Immer wieder hätten Sicherheitskräfte versucht, die Demonstranten auseinanderzutreiben. Amateurvideos auf Youtube dokumentieren regelrechte Jagdszenen in Teherans Innenstadt. Polizisten gingen mit Knüppeln gegen die Menge vor. Die Sicherheitskräfte setzten Augenzeugen zufolge Tränengas ein, um die Demonstranten vom Azadi-Platz fernzuhalten.

An anderer Stelle in Teherans Innenstadt sei die Polizei mit Motorrädern gegen die Demonstranten vorgegangen, die ihrerseits Mülleimer anzündeten. "Ein Iraner stirbt, aber er nimmt keine Demütigung hin", habe die Menge gerufen. Andere skandierten "Tod dem Diktator" - offenbar mit Bezug auf Irans obersten religiösen Führer Ayatollah Ali Chamenei.

Unübersichtliche Lage in Teheran

Die Regierung beschuldigte die Demonstranten, das Feuer auf Zivilisten eröffnet zu haben: Die halbamtliche Nachrichtenagentur Fars, die den paramilitärischen Revolutionsgarden nahesteht, sprach von "Elementen des Aufruhrs" und "terroristischen Söldnergruppen", die dem Passanten in den Kopf geschossen hätten.

Unabhängige Berichte über die Vorfälle in Iran gibt es kaum: Ausländischen Journalisten wurden Visa verweigert. Jene Reporter, die in Iran lebten, seien im Vorfeld eingeschüchtert worden. Darüber hinaus sei die Übertragungsgeschwindigkeit des Internets am Montag drastisch reduziert worden.

Ägypten: Reaktionen
:"Heute ist ein Tag großer Freude"

Zeitenwende am Nil, Aufatmen in der westlichen Welt: Die Nachricht vom Rücktritt des ägyptischen Präsidenten Mubarak hat für Erleichterung und Freude gesorgt. Die Reaktionen in Bildern.

Harsche Worte der Kritik kommen nun aus Washington: US-Außenministerin Hillary Clinton warf der iranischen Regierung Scheinheiligkeit vor. Das Regime habe die Proteste von Regierungsgegnern in Ägypten begrüßt, versuche aber die Opposition im eigenen Land zu unterdrücken, erklärte sie. "Iran ist das Musterbeispiel einer unterdrückten Revolution", sagte Clinton dem Online-Portal politico.com zufolge.

"Keiner will in einem Regime enden, das aus einer militärischen Diktatur mit theokratischem Überbau besteht und die Menschenrechte des iranischen Volks ignoriert", so Clinton. "Wir fordern die iranische Regierung auf, dem Volk das Recht auf Versammlungsfreiheit zu gewähren."

Irans Führer dürften die Proteste als Demütigung ansehen: Sie hatten zuvor den Umbruch in Ägypten und Tunesien als Akt der islamischen Befreiung bezeichnet und mit der Islamischen Revolution von 1979 im eigenen Land verglichen. Die Demonstranten ihrerseits hatten freilich eine andere Interpretation der Geschehnisse: "Nach Mubarak und Ben Ali ist es nun Zeit für Sayyid Ali", rufen sie in Mobilisierungsvideos mit Bezug auf den obersten geistlichen Führer Chamenei.

Clinton machte klar, dass die US-Regierung "ganz klar und unmittelbar die Bestrebungen" der Menschen befürworte, die in Teheran auf die Straße gingen. Es müsse "eine Zusage geben, das politische System zu öffnen und die Stimmen der Opposition und der bürgerlichen Gesellschaft zu hören", so Clinton weiter.

Hausarrest für Oppositionspolitiker

Die Opposition hatte zu der Protestveranstaltung in der iranischen Hauptstadt aufgerufen. Wie die der Reformbewegung nahestehende Website kaleme.com berichtete, kam es in der zentraliranischen Stadt Isfahan und in Schiras im Süden des Landes zu ähnlichen Kundgebungen. Die halbstaatliche Nachrichtenagentur Fars, meldete, es sei zu Festnahmen gekommen. Die Regierung hatte die Demonstration verboten und mit Konsequenzen gedroht, sollte diese dennoch stattfinden.

Bereits im Vorfeld der Kundgebung war die Regierung restriktiv gegen Oppositionelle vorgegangen: Wenige Stunden vor der Demonstration in Teheran wurden die Telefonleitungen von Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi gekappt und sein Haus abgeriegelt, wie kaleme.com berichtete. Offenbar wollten die Behörden Mussawi damit von der Teilnahme an der Kundgebung abhalten.

Mussawi und ein weiterer Oppositionsführer, Mehdi Karubi, stehen seit der vergangenen Woche unter Hausarrest, nachdem sie um Erlaubnis für eine friedliche Kundgebung am 14. Februar gebeten hatten. Mehrere Oppositionspolitiker und Mitarbeiter Mussawis und Karrubis wurden in den vergangenen Tagen festgenommen.

Das Vorgehen der Behörden ruft Erinnerungen an die Niederschlagung der Oppositionsproteste nach der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad im Sommer 2009 wach. Damals gingen die Sicherheitskräfte mit äußerster Härte gegen Demonstranten vor. Seit mehr als einem Jahr konnte die Opposition keine Kundgebung mehr abhalten.

Dass die Opposition mit härtesten Strafen rechnen muss, geht auch aus dem Agieren iranischer Parlamentsabgeordneter hervor. Sie forderten die Todesstrafe für führende Regimegegner. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Irna riefen die Abgeordneten: "Tod für Mussawi, Karrubi und Chatami." Der frühere Präsident Mohammed Chatami ist ein anderer Oppositionsführer.

Parlamentspräsident Ali Laridschani kündigte an, ein Ausschuss werde den "Verlauf der Krawalle" aufklären.

© sueddeutsche.de/dapd/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: