Unruhen in Syrien:Deutschland drängt auf Sanktionen gegen Assad

Die UN können sich nicht auf eine gemeinsame Position einigen, die EU diskutiert noch - die Welt ist sich uneins, wie sie mit dem syrischen Despoten umgehen soll. Klare Vorstellungen haben der UN-Generalsekretär und Guido Westerwelle.

Der UN-Sicherheitsrat hat sich am Mittwoch nicht auf eine gemeinsame Erklärung zur Verurteilung der Gewalt in Syrien gegen Demonstranten geeinigt. Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Portugal hatten einen entsprechenden Entwurf eingebracht, der aber nach Diplomatenangaben von mehreren Ländern, unter anderem dem Libanon, abgelehnt worden war.

Syrian military deploys tanks

Ein Panzer der syrischen Streitkräfte - angeblich - in den Straßen Daraas. Regierungsgegnern zufolge schickt das Militär weitere Panzer zur Verstärkung in die Stadt im Süden des Landes.

(Foto: dpa)

Die UN-Botschafterin der Vereinigten Staaten, Susan Rice, forderte vor dem Gremium Damaskus zu einem Kurswechsel auf. Syriens Präsident Baschar el Assad müsse "den Kurs jetzt ändern", sagte Rice. Die Diplomatin forderte die internationale Gemeinschaft auf, das gewaltsame Vorgehen gegen die Opposition in Syrien geschlossen zu verurteilen.

Russland warnte vor einem möglichen Bürgerkrieg in Syrien, der durch eine Intervention von außen ausgelöst werden könnte. Die Krise in dem arabischen Land "stellt keine Bedrohung für den Frieden und die internationale Sicherheit dar", erklärte der russische UN-Vizebotschafter Alexander Pankin. "Zu einer echten Bedrohung für die regionale Sicherheit könnte es durch eine äußere Intervention kommen", warnte Pankin.

Während die Vereinten Nationen bereits seit zwei Tagem über den Umgang mit der syrischen Regierung beraten, haben die EU-Staaten angekündigt, erst am Freitag über mögliche Sanktionen gegen das Regime von Machthaber Baschar al-Assad zu diskutieren.

Das Thema werde am Freitag bei einem Treffen der EU-Botschafter auf der Tagesordnung stehen, sagte ein Sprecher von EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton in Brüssel. Wie aus Diplomatenkreisen verlautete, bereitet der Auswärtige Dienst der EU bereits ein Papier vor, in dem mögliche Handlungsoptionen aufgeführt werden sollen. Angesichts der Gewalt in Syrien war, ähnlich wie im Fall Libyen, bereits Kritik laut geworden, dass die EU zu langsam handele. Bislang hatte sie die Gewalt in Syrien zwar verurteilt, jedoch keine konkreten Sanktionen verhängt.

In Syrien selbst hat die Regierung die Streitkräfte in der südlichen Provinz Daraa offenbar verstärkt. Auf Websites von Gegnern des Regimes wurden Aufnahmen veröffentlicht, auf denen Dutzende Sattelschlepper mit Panzern zu sehen sind, die auf einer Schnellstraße fahren. Die Oppositionellen erklärten, es handele sich um Verstärkung für die Truppen, die am Wochenende in die Stadt Daraa eingedrungen waren. Sie befürchten ein Massaker in der Stadt.

Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle erklärte in Berlin, wenn die syrische Führung die Gewalt gegen friedliche Demonstranten nicht sofort beende, seien Sanktionen unvermeidbar. Westerwelle unterstützte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der das Vorgehen des Regimes von Staatschef Baschar al-Assad auf das Schärfste verurteilte. Westerwelle sagte: "Wir werden unseren Beitrag leisten, dass auch der UN-Sicherheitsrat klare Positionen einnimmt."

Dazu kam es bei der Sitzung des höchstens UN-Gremium allerdings nicht. Nun hoffen Beobachter auf eine Einigung unter den europäischen Staaten, die als etwas wahrscheinlicher gilt, weil es keine Vetomächte gibt, wie sich Russland und China auf UN-Ebene darstellen.

Syrien ist nicht Libyen

Unterdessen kommen immer wieder Vergleiche zwischen der Situation in Syrien und dem Bürgerkrieg in Libyen auf. Ob die arabische Welt mit zweierlei Maß gemessen werde, wurde UN-Generalsekretär Ban Ki Moon am Dienstagabend in New York gefragt. Hätten die Demonstranten in Syrien nicht den gleichen Anspruch auf Unterstützung, den der Sicherheitsrat den Menschen in Libyen bot?

"Syrien ist nicht Libyen"

Syrien sei nicht Libyen, entgegnete Ban. "Leider haben wir inzwischen mehrere dieser Fälle im Nahen Osten und Nordafrika", erklärte der UN-Chefdiplomat. "Jeder scheint andere Hintergründe zu haben und ist anders geartet."

Auch Westerwelle lehnte einen Vergleich mit den Maßnahmen gegen Libyen ab. Jedes Land brauche "maßgeschneiderte" Reaktionen. In diesem "arabischen Frühling" dürften die Länder dieser Region nicht gleichgesetzt werden, sagte er.

Tatsächlich verweigert Libyens Machthaber Gaddafi den Regimegegnern in seinem Land jede Art von Reform. Er drohte, seine Leute würden von Straße zu Straße und Haus zu Haus gehen und alle Gegner festnehmen, notfalls auch töten. Nachdem sich selbst die Arabische Liga von Gaddafi abgewendet hatte, entschied sich der UN-Sicherheitsrat für eine internationale Militäraktion zum Schutz libyscher Zivilisten.

Syriens Machthaber erklärt sich zwar reformbereit, hat aber in den elf Jahren, die er an der Macht ist, keine entscheidenden Änderungen eingeleitet. Assad macht ausländische Intriganten für die Lage in seinem Land verantwortlich. Sein UN-Botschafter Bashar Jaafari erklärte, dass sich bewaffnete Gruppen unter die Demonstranten mischten und auf das Militär schössen. "Durch sie kommt es zu den vielen Toten."

Die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice verwies wiederum darauf, dass sich Assad vom Iran unterstützen lasse. Damaskus wende die gleichen brutalen Maßnahmen an, mit denen Teheran seine Leute in Schach halte.

Trotzdem sei es "noch nicht zu spät" für Assad, die brutalen Repressionen gegen sein Volk zu beenden, sagte Großbritanniens Außenminister William Hague in London. Es sei noch immer möglich für ihn, die demokratischen Reformen, die er versprochen habe, zu realisieren. Hague meinte allerdings ohne weitere Erläuterung: "Ich bin nicht sicher, wie frei er ist, eine Reform zu verfolgen, selbst wenn er das wollte." Vorwürfe, wonach Großbritannien mit Syrien wesentlich großzügiger umgehe als mit Libyen, wies der britische Außenminister zurück. Er verurteile "absolut" die Art und Weise, wie friedliche Proteste dort niedergeschlagen wurden, sagte Hague.

Amnesty International hat sich für eine Untersuchung der Gewalt gegen die Demonstranten in Syrien durch den Internationalen Strafgerichtshof ausgesprochen. Die Menschenrechtsorganisation hat bislang die Namen von 393 Menschen erhalten, die seit Beginn der Proteste Mitte März getötet wurden. Die Zahl der Opfer sei jedoch vermutlich noch höher, da Scharfschützen auf Menschen geschossen hätten, die versucht hätten, Verletzte auf der Straße zu bergen.

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