Aufstand in Libyen:22 Sekunden Gaddafi

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Mit einem bizarren Kurzauftritt entgegnet Libyens Machthaber Gaddafi Gerüchten, er sei bereits geflohen. Doch in Tripolis eskaliert die Gewalt: Kampfjets sollen auf Demonstranten gefeuert haben. Allerdings sollen auch ganze Einheiten desertiert sein.

Der Auftritt dauerte nur etwa 20 Sekunden: Muammar al-Gaddafi, mit einem Regenschirm in einem Auto sitzend, widersprach in einer Aufzeichnung des Staatsfernsehens murmelnd Gerüchten, er sei aus Libyen geflohen. "Ich bin in Tripolis und nicht in Venezuela", sagte der Revolutionsführer.

Das Video mag an einen Sketch erinnern, doch die Lage in Libyen ist weiterhin bitterernst. Bei dem Versuch, die Proteste gegen Gaddafi niederzuschlagen, haben libysche Sicherheitskräfte nach Medienberichten allein am Montag mehr als 150 Menschen getötet. In Bengasi sollen etwa 400 Menschen ums Leben gekommen sein.

Nachprüfbare Angaben über die Zahl der Todesopfer gibt es nicht. Wie der arabische Sender al-Dschasira unter Berufung auf Augenzeugen berichtete, hatten Kampfflugzeuge in der Hauptstadt Tripolis am Montag Angriffe auf unbewaffnete Demonstranten geflogen. Soldaten hätten aus Maschinengewehren das Feuer auf die Menge eröffnet.

Zwei Jets der libyschen Streitkräfte waren auf Malta gelandet. Nach al-Dschasira-Informationen desertierten die Piloten und flohen auf die Mittelmeerinsel, nachdem sie den Befehl erhalten hatten, Demonstranten in Bengasi aus der Luft anzugreifen. Sie hätten um politisches Asyl gebeten, sagte ein Sprecher der maltesischen Armee der Nachrichtenagentur dpa.

An diesem Dienstag wird sich der UN-Sicherheitsrat in New York mit der Gewalt in dem Land beschäftigen. Das höchste Gremium der Vereinten Nationen kommt am zu einer Sitzung hinter verschlossenen Türen zusammen. Das teilten die Vereinten Nationen in der Nacht mit. Das Treffen soll um neun Uhr Ortszeit (15 Uhr MEZ) beginnen.

Generalsekretär Ban Ki Moon sei "schockiert" über Berichte, dass Demonstranten aus Kampfflugzeugen und Hubschraubern beschossen worden seien. Falls sich dies als wahr herausstelle, bedeutete das eine schwere Verletzung internationaler Menschenrechte. Ban rief erneut zum Ende der Gewalt auf.

Das Regime von Staatspräsident Muammar al-Gaddafi bestritt den Einsatz der Luftwaffe gegen Zivilisten. Gaddafi-Sohn Saif al-Islam sagte, die Kampfflugzeuge hätten Waffenlager in abgelegenen Gebieten angegriffen.

Am Vorabend hatte er die Libyer gewarnt: Falls sie ihre Proteste fortsetzen sollten, drohe ein Bürgerkrieg. Der Nachrichtensender al-Arabija meldete, es sei der Befehl erteilt worden, Bengasi in den kommenden Stunden aus der Luft anzugreifen. Bengasi ist nach der Hauptstadt Tripolis die zweitgrößte Stadt Libyens. Dort hatte der Aufstand gegen Gaddafi begonnen.

Für den Diktator wird die Situation immer bedrohlicher. Der internationale Druck auf sein Regime wächst. US-Außenministerin Hillary Clinton forderte die libysche Führung in scharfer Form zum Gewaltverzicht auf. "Die Welt beobachtet alarmiert die Lage in Libyen", sagte Clinton. "Jetzt ist die Zeit, das inakzeptable Blutvergießen zu beenden."

Teile der libyschen Armee sollen zur Opposition übergelaufen sein, weil sie sich weigerten, auf Demonstranten zu schießen. Die Aufständischen kontrollieren neben der Stadt Bengasi mittlerweile auch Sirte und das nordostlibyische Agedabia. Das berichtet die Nachrichentagentur dpa unter Berufung auf einen Vertreter von Militärangehörigen, die sich den Protesten angeschlossen hätten.

Auch Diplomaten wenden sich von Gaddafi ab. Der stellvertretende libysche Botschafter bei den Vereinten Nationen, Ibrahim Dabbashi, warf ihm Völkermord vor: "Sie schießen, um zu töten", sagte er in New York zum Vorgehen der Sicherheitskräfte in seiner Heimat. "Das Gaddafi-Regime hat schon am 15. Januar einen Völkermord begonnen."

Der libysche Justizminister Mustafa Abdul-Dschalil trat am Montag aus Protest gegen den "exzessiven Einsatz von Gewalt gegen unbewaffnete Demonstranten" zurück. Weitere Funktionäre sollen seinem Beispiel gefolgt sein.

Auch der libysche Vertreter bei der Arabischen Liga in Kairo, Abdulmoneim al-Honi, bestätigte der Nachrichtenagentur dpa, seinen Rücktritt eingereicht zu haben. Laut Medienberichten legten auch die libyschen Botschafter in Polen, Indien, Indonesien, und China ihre Ämter nieder.

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