Unruhen in Islamabad:Gericht ordnet Festnahme von Premier Ashraf an

Pakistan stürzt in eine Regierungskrise: Das Oberste Gericht des Landes hat die Festnahme von Premierminister Raja Pervez Ashraf angeordnet. Gleichzeitig ruft in Islamabad ein populärer Geistlicher zur Revolution auf und stellt der Regierung ein Ultimatum. Regierungsvertreter sprechen von einem Putschversuch.

Pakistans Oberster Gerichtshof hat Fernsehberichten zufolge überraschend die Festnahme von Regierungschef Raja Pervez Ashraf angeordnet. Grund seien Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit Energieprojekten, berichteten mehrere TV-Sender am Dienstag. Ashraf soll demnach in seiner Zeit als Minister für Wasser und Energie Bestechungsgelder angenommen haben. Er soll bereits am Mittwoch vor Gericht erscheinen.

Im Zuge der Ermittlungen sollen der BBC zufolge noch weitere 15 Personen festgenommen werden. Die für dieses Jahr geplanten Wahlen in Pakistan sollen sich dem Gericht zufolge durch die Vorfälle jedoch nicht verzögern.

Ashraf war im Juni 2012 ins Amt gekommen, nachdem das Oberste Gericht seinen Vorgänger Jusuf Raza Gilani per Beschluss abgesetzt hatte. Gilani hatte sich zuvor geweigert, die Behörden in der Schweiz um die Wiederaufnahme eines Geldwäscheverfahrens gegen Präsident Asif Ali Zardari zu bitten. Zunächst hatte die PPP den damaligen Textilminister Makhdoom Shahabuddin für das Spitzenamt vorgesehen, gegen den das Verfassungsgericht wegen Korruptionsvorwürfen Haftbefehl erließ.

In Pakistan tobt ein Machtkampf

Muhammad Tahirul Qadri, Pakistan, Islamabad

Aufruf zur Revolution: Muhammad Tahir ul-Qadri spricht vor Anhängern.

(Foto: REUTERS)

Schließlich wurde Ashraf im Juni vereidigt. Er gilt als enger Vertrauter Zardaris. Ashraf war von Beginn an umstritten: Gegner warfen ihm immer wieder vor, als Minister im Jahr 2010 von dubiosen Geschäften profitiert zu haben. Ashraf bestreitet das. In der Regierung seines Vorgängers hatte er zwei Kabinettsposten inne. Nach dem PPP-Wahlsieg 2008 wurde er zunächst Minister für Wasser und Energie. Später versetzte ihn Gilani ins Ressort für Informationstechnologie. Ein Grund für den Wechsel war der Vorwurf, Ashraf habe als Energieminister Bestechungsgelder angenommen, weswegen die Justiz schon damals ermittelte.

Gleichzeitig ist Ashraf Teil eines Machtkampfes zwischen den Institutionen: Pakistans Oberster Richter Iftikhar Muhammad Chaudhry gilt als harter Kritiker der Regierung und des Staatspräsidenten Asif Ali Zardari. Zwischen dem Verfassungsgericht und der von der Volkspartei PPP geführten Regierung schwelt seit Jahren ein Konflikt.

Regierungsmitarbeiter sprechen von Putschversuch

Nach Bekanntwerden der Entscheidung des Obersten Gerichtes erhob ein Mitarbeiter Ashrafs schwere Vorwürfe. Fawad Chaudhry sagte der Nachrichtenagtentur Reuters, es bestünde kein Zweifel, dass das pakistanische Militär und das Verfassungsgericht zusammenarbeiteten, um die aktuelle Regierung zu stürzen.

Ul-Qadri ruft zum Umsturz auf

Die Entscheidung erfolgt in einem Moment, da die Regierung ohnehin unter Druck steht. Mit dem Geistlichen Muhammad Tahir ul-Qadri ist inzwischen ein weiterer Akteur auf der politischen Bühne aufgetaucht. Er wird dem Lager des mächtigen Militärs zugerechnet. Nach seinem Marsch auf Islamabad forderte er am Dienstag die Regierung auf, das Parlament in Islamabad und die Provinzparlamente aufzulösen. "Sonst wird die Nation die Entscheidung treffen", sagte der Kleriker in einer Ansprache nach dem Protestzug von Lahore nach Islamabad. "Der lange Marsch ist beendet, und jetzt beginnt eine Revolution."

Der pakistanisch-kanadische Kleriker ul-Qadri, der zu der Demonstration aufgerufen hatte, wirft der Regierung Inkompetenz und Korruption vor und fordert tiefgreifende Reformen vor der Parlamentswahl im Frühsommer. Der 61-Jährige hatte Zehntausende Anhänger auf einem zweitägigen Protestmarsch in die Hauptstadt geführt. Er stellte der Regierung am Dienstag ein Ultimatum bis Mittwoch 11 Uhr Ortszeit (7 Uhr MEZ). Bis dahin soll diese das Parlament auflösen. Unter Führung des einflussreichen pakistanischen Militärs soll dann eine Übergangsregierung eingesetzt werden.

Ul-Qadri sprach von Millionen Anhängern, die ihm folgen würden. Gegen 10 Uhr Ortszeit hatten sich etwa 25.000 Menschen vor dem Parlament versammelt, wie ein Vertreter der Sicherheitsbehörden AFP sagte. "Die Zahl der Demonstranten steigt." Bei der Großdemonstration ist es zu Ausschreitungen gekommen. Die Polizei setzte Tränengas gegen Tausende Protestteilnehmer ein, die zum Parlament in der Hauptstadt Islamabad vordringen wollten, wie ein AFP-Journalist berichtete, auch Schüsse waren zu hören. Einige Demonstranten hatten Steine auf die Sicherheitskräfte geworfen. Weitere zerstörten Scheiben von Autos, viele trugen Stöcke. Wer die Schüsse abgab, war unklar.

Unterstützer hoffen auf grundlegende Reformen

Die Demonstranten drangen bis zum Rand der sogenannten Roten Zone vor, in der sich das Parlament und andere wichtige Gebäude befinden. Diese wurde von einem Großaufgebot an Sicherheitskräften geschützt. Um den Demonstranten den Weg zu versperren, waren Schiffscontainer aufgestellt und Stacheldraht verlegt worden. Einer der Organisatoren des Protests warf der Regierung vor, Gewalt provozieren zu wollen. "Wir sind friedlich", sagte er der AFP. "Die Polizei hat Tränengas eingesetzt und Schüsse ohne Grund abgefeuert."

Ul-Qadris Unterstützer sehen in seinen Forderungen einen Weg, Pakistan von Grund auf zu reformieren, das unter einer schwächelnden Wirtschaft, Energieproblemen und islamistischer Gewalt leidet. Kritiker des Protestaufrufs beklagen dagegen den Versuch, die Parlamentswahl im Frühsommer zu verzögern und politisches Chaos zu säen.

Ul-Qadri hatte bereits am 23. Dezember, kurz nachdem er nach Jahren in Kanada zurückgekehrt war, in Lahore bei einer Kundgebung 100.000 Anhänger versammelt. Er ist der Führer der religiösen Bewegung Minhaj ul-Quran (Der Weg des Koran) dort. Nach eigenen Angaben hat sie mehr als 500 Religionsschulen in Pakistan und Vertretungen in mehr als 90 Ländern. Der frühere Abgeordnete verurteilte in einem religiösen Rechtsgutachten Selbstmordanschläge als antiislamisch und gilt seinen Anhängern als Vertreter eines aufgeklärten und friedlichen Islam.

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