Unruhen in Griechenland:Nach den Krawallen droht der Generalstreik

In Athen und anderen griechischen Städten ist es erneut zu Ausschreitungen gekommen. Ein Polizist griff zur Schusswaffe. Derweil begannen in der Nacht landesweite Streiks.

Auch am Dienstagabend ist es in Athen und anderen griechischen Städten wieder zu schweren Zusammenstößen zwischen Autonomen und der Polizei gekommen. Vermummte Jugendliche zogen die vierte Nacht in Folge durch die Innenstädte und zündeten Barrikaden an, plünderten Geschäfte und warfen Scheiben ein.

Unruhen in Griechenland: Die griechische Polizei ist von den Krawallen zum Teil deutlich überfordert - wovon auch die Warnschüsse zeugen.

Die griechische Polizei ist von den Krawallen zum Teil deutlich überfordert - wovon auch die Warnschüsse zeugen.

(Foto: Foto: AP)

Ein Polizist, der sich bedroht fühlte, feuerte nach Angaben der Polizeidirektion einen Warnschuss in die Luft ab. Augenzeugen sprachen im Fernsehen von mindestens sieben Warnschüssen. Verletzt wurde niemand.

Auch nahe der Polizeidirektion von Athen sowie vor dem Polytechnikum kam es zu Krawallen. Die Polizei setzte Tränengas und Schlagstöcke ein, um die Randalierer auseinanderzutreiben.

In der Hafenstadt Thessaloniki zerstörten Autonome eine Bankfassade. In der westgriechischen Stadt Patras griffen Randalierer am Abend Polizeiwachen mit mit Molotowcocktails und Steinen an.

Zuvor war es bereits bei der Trauerfeier für den getöteten 15-Jährigen in Athen zu heftigen Zusammenstößen zwischen Jugendlichen und der Polizei gekommen. Der Tod des Jugendlichen am Samstag war der Auslöser für die schlimmsten Krawalle seit einem Vierteljahrhundert in Griechenland.

Insgesamt seien am Dienstag in Athen mehr als 40 Personen festgenommen worden, teilten die Behörden mit. Sieben Polizisten wurden demnach verletzt. Über verletzte Zivilisten lagen keine Zahlen vor.

Schulen und Ministerien bleiben zu

Nach Mitternacht beruhigte sich die Situation in der griechischen Hauptstadt wieder, wie die Polizei mitteilte. Viele der Randalierer zogen sich in die Universität zurück, zu der die Polizei aus historischen Gründen keinen Zutritt hat.

Es sei sie ruhigste Nacht seit Ausbruch der Ausschreitungen am Samstagabend, berichtete das Staatsradio. "Seit 2.00 Uhr hatten wir keinen Zwischenfall", teilte am Mittwochmorgen die Polizei in Athen mit. Auch in Thessaloniki und der Hafenstadt Patras entspannte sich die Lage.

Für diesen Mittwoch droht allerdings neue Unruhe, weil die Gewerkschaften zu einem landesweiten Generalstreik aufgerufen haben. Wegen der Streiks, die schon vor Ausbruch der Randale ausgerufen worden waren, kommt es seit dem frühen Morgen zu Beeinträchtigungen vor allem im Bereich Verkehr.

Es gibt bis Mitternacht keine Flüge weil die Fluglotsen streiken und der griechische Luftraum komplett geschlossen bleibt. Gestrandete Reisende gab es jedoch nicht, da die Fluglinien bereits seit Tagen keine Buchungen mehr annahmen und ihre Kunden benachrichtigt hatten.

Zudem bleiben die Schulen und die Ministerien geschlossen. Hotels und Taxis werden dagegen nicht bestreikt. Die Gewerkschaften wenden sich damit gegen die Lohnpolitik und Reformen im Rentensystem der konservativen Regierung unter Ministerpräsident Kostas Karamanlis.

Wegen möglicher Ausschreitungen werde es nur eine zentrale Kundgebung und keine Demonstration durch die Straßen Athens geben, teilten die Gewerkschaften mit.

Ministerpräsident Konstantinos Karamanlis rief die politischen Parteien zur Geschlossenheit auf. "Das ist unsere Pflicht", sagte er nach einem Treffen aller Spitzenpolitiker bei Staatschef Karolos Papoulias. Der Regierungschef kündigte eine lückenlose Aufklärung zum Tod des 15-Jährigen an.

Harsche Kritik von Amnesty

Die Opposition forderte derweil den Rücktritt Karamanlis', dessen konservative Regierung im Parlament nur die hauchdünne Mehrheit von einer Stimme hat. "Die Regierung kann die Krise nicht bewältigen, und sie hat das Vertrauen des griechischen Volkes verloren", erklärte der Parteichef der sozialistischen Pasok, Giorgios Papandreou. Er machte politische Fehlentscheidungen und Versäumnisse für die Unruhen verantwortlich.

Unterdessen warf Amnesty International (AI) der griechischen Polizei im Zusammenhang mit den Krawallen der vergangenen Tage ein zu hartes Vorgehen gegen die Protestierer vor. In einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung forderte AI die Regierung in Athen auf, "die unrechtmäßige und unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt durch die Polizei" zu stoppen.

Griechische AI-Aktivisten hätten von Übergriffen der Polizei gegen friedliche Demonstranten berichtet, hieß es in der Erklärung der Menschenrechtsorganisation weiter. Amnesty forderte außerdem eine unabhängige Untersuchung der tödlichen Polizeischüsse auf einen 15-Jährigen am vergangenen Samstag. Der Tod des Jungen war Auslöser der schwersten Ausschreitungen in Griechenland seit mehr als zwei Jahrzehnten.

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