Süddeutsche Zeitung

Erfolg für Reformbewegung:Marokkos König gibt etwas Macht ab

König Mohammed VI. reagiert auf den Unmut im Volk und gibt Teile seiner umfassenden Befugnisse ab - auf den Straßen herrscht Jubel. Anders in Syrien: Unerbittlich geht das Assad-Regime gegen die Reformbewegung vor. Die USA wollen die Damaszener Akteure vor Gericht zerren - gegen die arabischen Ex-Despoten Mubarak und Ben Ali laufen in Paris Ermittlungen.

Unter dem Eindruck der Demokratiebewegung in Nordafrika ist Marokkos König Mohammed VI. bereit, sich von einem Teil seiner umfassenden Machtbefugnisse zu trennen. Am Freitagabend präsentierte der Monarch Pläne für eine Verfassungsreform, die der Regierung mehr Befugnisse einräumt. In einer Fernsehansprache rief er die Bürger des Landes auf, der neuen Verfassung in einem Referendum am 1. Juli zuzustimmen.

Nach den nun vorgestellten Plänen sollen die Befugnisse von Ministerpräsident, Parlament und Justiz erweitert werden, der Monarch aber Oberbefehlshaber der Streitkräfte und als Vorsitzender von wichtigen Gremien weiterhin zentrale Figur des politischen Systems bleiben.

Nach der Rede des Königs fuhren Autos mit marokkanischen Fahnen hupend durch die Straßen von Rabat, auf den Boulevards waren jubelnde junge Menschen zu sehen. Während der König in Marokko populär ist, gelten die ihm in der Regel ergebenen Politiker und Parteien als korrupt und habgierig.

Nach der neuen Verfassung will der König seinen Status als geistliches Oberhaupt aller Marokkaner aufgeben. Jedoch soll er weiter als "unantastbar" angesehen werden und Führer der marokkanischen Muslime sowie Oberbefehlshaber der Streitkräfte bleiben. In der neuen Verfassung soll die Berber-Sprache Amazigh zudem gleichberechtigt neben Arabisch als offizielle Amtssprache fungieren.

Künftig muss der König einen Premierminister aus der Partei ernennen, die bei Wahlen die meisten Parlamentssitze erhalten hat; bislang konnte er den Regierungschef nach Gutdünken bestimmen. Zugleich erhält der Premier weitere Befugnisse wie das Recht, Minister zu entlassen. Außerdem kann er dem König Kandidaten für Botschafterposten und die Führung von staatlichen Unternehmen vorschlagen.

Monarchie steht nicht infrage

Zudem ist eine Trennung von Judikative und Exekutive vorgesehen. Der König wird auch weiter offiziell dem Hohen Rat der Justiz, dem obersten Rechtsorgan des Staates, vorstehen. Laut neuer Verfassung wird er aber diese Aufgabe an den Präsidenten des Obersten Gerichts delegieren und nicht mehr an den Justizminister.

Die Sicherheitspolizei soll einem vom König geleiteten Rat unterstellt werden, dem der Regierungschef und die Präsidenten beider Parlamentskammern sowie des Obersten Gerichts angehören. Außerdem kann der König laut neuer Verfassung nicht mehr allein einem anderen Land den Krieg erklären oder über den Abbruch der diplomatischen Beziehungen entscheiden.

König Mohammed hatte die Verfassungsreform bereits im März nach Demonstrationen für mehr Demokratie angekündigt. Eine Kommission hatte den Entwurf unter Beteiligung der politischen Parteien, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und anderen Vertretern der Gesellschaft in den vergangenen Wochen erarbeitet. Bei einer Zustimmung in dem Referendum am 1. Juli wäre es die sechste Verfassungsreform in Marokko seit der Unabhängigkeit des Landes von Frankreich 1956. Aber die erste, die vom Volk gestaltet wurde, wie Mohammed in der Fernsehansprache betonte.

Wie in vielen anderen nordafrikanischen und arabischen Staaten gehen die Menschen auch in Marokko seit Monaten für mehr Freiheiten und Demokratie auf die Straße. Die Oppositionsbewegung in Marokko hatte sich im Vorfeld skeptisch gezeigt, dass der König zu wirklichen Reformen bereit sei. Außerdem hatten die Demonstranten bemängelt, nicht an der Erarbeitung des Verfassungsentwurfs beteiligt worden zu sein. Die Monarchie stellten sie bislang aber nicht infrage.

Während sich die Lage in Marokko mit dem Verfassungsreferendum nun entspannen könnte, gehen die Unruhen in Syrien unvermindert weiter - trotz aller Härte, mit der Machthaber Baschar al-Assad seine Truppen gegen Demonstranten vorgehen lässt.

Syrische Regierungstruppen rückten an diesem Samstag mit Panzern in ein Dorf nahe der türkischen Grenze ein. Die Soldaten seien am frühen Samstagmorgen mit sechs Panzern in Bdama erschienen, erklärten die Koordinationskomitees, die regierungskritische Proteste in Syrien dokumentieren. Das Dorf liegt etwa 20 Kilometer von der Grenze zur Türkei entfernt und ganz in der Nähe von Dschisr al Schughur, das die Regierungssoldaten am vergangenen Sonntag wieder unter ihre Kontrolle brachte.

Am Freitag nahmen Soldaten die Stadt Maaret al Numan ein. Der dreimonatige Aufstand gegen Präsident Baschar Assad kostete nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten bisher mehr als 1.400 Syrer das Leben.

Die USA prüfen nun angesichts der Gewalt in Syrien, ob Mitglieder der syrischen Führung wegen Kriegsverbrechen verfolgt werden können.

Derzeit würden die Möglichkeiten ausgelotet, sagte ein ranghoher US-Regierungsvertreter bei einer Telefonkonferenz des US-Außenministeriums. Ein weiterer ranghoher Vertreter, der ebenfalls nicht namentlich genannt werden wollte, sagte, die US-Regierung suche außerdem nach Wegen, durch Wirtschaftssanktionen den Druck auf Damaskus zu erhöhen. Dabei sei insbesondere der Ölsektor des Landes im Visier.

Auch die EU-Staaten wollen weitere Sanktionen gegen Vertreter Syriens beschließen, ihr Beschluss erfolgt aber vermutlich erst auf dem EU-Gipfel Ende der kommenden Woche.

Wie schlecht die Sicherheitslage in Syrien ist, zeigt eine Meldung aus London: Das britische Außenministerium forderte in Syrien befindliche Staatsbürger zum sofortigen Verlassen des Landes auf. Alle Briten sollten über reguläre Wege ausreisen, so lange dies noch möglich sei, hieß es in einer Mitteilung auf der Internetseite der Botschaft in Damaskus. Im Falle eines "noch weiter reichenden Zusammenbruchs von Recht und Ordnung" sei es sehr unwahrscheinlich, dass die diplomatische Vertretung die gewöhnlichen konsularischen Dienste weiter leisten könne, hieß es weiter.

Bei den seit März andauernden Protesten kamen nach Angaben von UN und Nichtregierungsorganisationen mehr als 1200 Demonstranten ums Leben, etwa zehntausend Menschen wurden festgenommen.

Derweil droht den gestürzten Präsidenten Ägyptens und Tunesiens jetzt auch in Frankreich juristische Verfolgung. Die Pariser Staatsanwaltschaft eröffnete nach Angaben vom Freitag zwei Ermittlungsverfahren wegen bandenmäßiger Geldwäsche. Das eine zielt auf den tunesischen Ex-Diktator Zine el Abidine Ben Ali ab, das andere auf den ehemaligen ägyptischen Herrscher Husni Mubarak.

Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International (TI) sowie die Juristenvereinigung Sherpa hatten gegen Ben Ali mehrfach Anzeige erstattet. Sie wollen klären lassen, ob der ehemalige Präsident auf französischem Boden mit veruntreutem Vermögen Immobilien kaufte oder andere Geschäfte machte.

Ben Ali hält sich seit seinem Sturz im Januar im saudi-arabischen Exil auf. Ihm soll von Montag an in seiner Heimat ein erster Prozess in Abwesenheit gemacht werden. Mubarak sitzt seit seiner Entmachtung in Ägypten in Untersuchungshaft. Dort ist für Anfang August die Eröffnung eines Prozesses gegen ihn geplant.

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