Unruhen in China:Hu reist von G-8-Gipfel ab

Nach neuen Unruhen in der chinesischen Uiguren-Provinz hat Präsident Hu Jintao seine Teilnahme am G-8-Gipfel abgesagt. In der Provinzhauptstadt wurde eine Ausgangssperre verhängt.

Angesichts der blutigen Unruhen in der Uiguren-Region Xinjiang hat der chinesische Präsident Hu Jintao seine Teilnahme am G-8-Gipfel in Italien abgesagt. Wie die italienische Nachrichtenagentur ANSA berichtete, unterbricht Hu seine Reise nach Italien und kehrt nach China zurück.

Unruhen in China: Der chinesische Präsident Hu Jintao mit seiner Frau Liu Yongqing vor dem Schiefen Turm von Pisa in Italien. Wegen der Unruhen ist Hu wieder abgereist vom G-8-Gipfel.

Der chinesische Präsident Hu Jintao mit seiner Frau Liu Yongqing vor dem Schiefen Turm von Pisa in Italien. Wegen der Unruhen ist Hu wieder abgereist vom G-8-Gipfel.

(Foto: Foto: AP)

Xinjiang wurde am Dienstag von neuen Krawallen erschüttert: Mit Knüppeln, Schaufeln und Messern bewaffnete Han-Chinesen zogen durch die Regionalhauptstadt Urumqi, um sich für die Übergriffe muslimischer Uiguren am Sonntag zu rächen. Hunderte Polizisten riegelten den zentralen Platz in Urumqi ab und setzten Tränengas gegen die Demonstranten ein. Ob es bei den neuen Protesten Tote oder Verletzte gab, ist bisher unklar.

Unverzügliche Rückreise nach China

"Aufgrund der Verschlimmerung der Unruhen hat sich Präsident Hu Jintao entschieden, seine Rückkehr nach China vorzuziehen und nicht am G-8-Gipfel teilzunehmen", sagte der leitende politische Berater der chinesischen Botschaft in Rom, Tang Heng. Hu, der sich in Pisa in der Toskana aufhalte, werde unverzüglich nach Peking zurückreisen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte nach Angaben aus Regierungskreisen in Berlin am Rande des G-8-Gipfels mit Hu über die Unruhen sprechen.

Das diesjährige Gipfeltreffen der sieben führenden Industrienationen und Russlands beginnt an diesem Mittwoch in der mittelitalienischen Stadt L'Aquila. China, das nicht der G-8-Gruppe angehört, soll am Donnerstag zu den Beratungen dazustoßen. Wie ANSA aus Diplomatenkreisen erfuhr, wird die chinesische Delegation ungeachtet Hus Abreise am Gipfel teilnehmen.

Hu war am Sonntag in Italien eingetroffen und kam unter anderem mit Ministerpräsident Silvio Berlusconi zusammen. Dabei unterzeichneten beide Seiten Wirtschaftsverträge im Umfang von mehr als einer Milliarde Euro.

Bei den blutigen Zusammenstößen am Sonntag waren über 150 Menschen getötet und rund 800 verletzt worden. Der Verband der Exil-Uiguren sprach gar von 800 Toten. Die Polizei nahm bisher fast 1400 Verdächtige fest. Nach Angaben der Staatsagentur Xinhua sind seit Sonntag mehrere zehntausend Polizisten und Soldaten in der Provinz im Einsatz, um neue Unruhen zu verhindern.

"Schärfste Maßnahmen"

Die Behörden kündigten "schärfste Maßnahmen" an, um die Lage unter Kontrolle zu bringen. Laut der Nachrichtenagentur Xinhua wurde für die Nacht eine Ausgangssperre in Urumqi verhängt, vielerorts wurden Internetverbindungen gekappt. Peking wirft im Exil lebenden Uiguren vor, hinter den Ausschreitungen zu stecken. Die Uiguren machen dagegen die chinesische Seite für die Gewalt verantwortlich. Ausgelöst worden waren die Proteste vom Tod zweier uigurischer Fabrikarbeiter Ende Juni im Süden Chinas.

Die EU mahnte unterdessen sowohl die Regierung in China wie auch andere Beteiligte an den Unruhen zu "Zurückhaltung" und friedlicher Konfliktlösung.

Politische und kulturelle Unterdrückung

Chinas Außenamtssprecher Qin Gang nannte die Unruhen in Urumqi ein "böses Morden, Brandschatzen und Plündern". Die Gewalt sei aus dem Ausland gesteuert gewesen und "von Verbrechern im Land" ausgeführt worden, sagte er bei einer Pressekonferenz in Peking.

Minderheiten in China wie Tibeter und Uiguren fühlen sich von den Han-Chinesen, die mehr als 90 Prozent der Bevölkerung ausmachen, diskriminiert. Sie beklagen vor allem politische und kulturelle Unterdrückung durch die Zentralregierung in Peking.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: