Süddeutsche Zeitung

Welle der Gewalt:Verhärtete Fronten in der arabischen Welt

Libyen, Algerien, Bahrain, Jemen: In mehreren arabischen Ländern verteidigen die Machthaber ihre Positionen mit brutaler Gewalt. Libysche Spezialeinheiten töteten 15 Menschen, die eine Trauerfeier besuchten. In Bahrain scheint die Herrscherfamilie ein Einsehen zu haben.

In der arabischen Welt gärt und brodelt es weiter. An den aktuellen Brennpunkten Libyen, Algerien, Bahrain und Jemen gingen erneut Abertausende Menschen auf die Straßen, um Reformen in ihren Ländern einzufordern. Die Machthaber antworteten auf die Forderungen mit teilweise blutiger Gewalt. Lediglich in Bahrain gab es erste Zeichen der Entspannung - dort erhielt die Armee den Befehl zum Rückzug von den Straßen.

Libysche Spezialeinheiten haben nach Krankenhausangaben 15 Menschen getötet, die eine Trauerfeier für 35 getötete Gegner des libyschen Staatschefs Muammar al Gaddafi verlassen wollten, um sich Protestkundgebungen anzuschließen. Zahlreiche weitere Menschen seien verletzt worden, hieß es. Die libyschen Behörden kappten zudem den Zugang zu den Online-Netzwerken Facebook und Twitter und verlangsamten die Internetverbindungen.

Während es in Dschibuti zu tödlicher Gewalt kam, übte sich die Polizei in Bahrain trotz einer sich neu formierenden Protestbewegung zunächst in Zurückhaltung. Libyens Machthaber Muammar el Gaddafi verzichtete auch am Samstag, dem fünften Tag der Proteste gegen seine Herrschaft, auf eine offizielle Stellungnahme. Bisher kamen bei den seit Dienstag andauernden Protesten laut Human Rights Watch (HRW) mindestens 84 Menschen ums Leben, davon 55 in Benghasi. Dort zog ein Krankenhaus demnach alle Ärzte der Stadt zum Notdienst heran; die Bevölkerung wurde zu Blutspenden aufgerufen.

In Bahrain strömten tausende Demonstranten auf den Perlenplatz im Zentrum der Hauptstadt Manama. Von dort waren zuvor auf Anordnung des Kronprinzen Salman bin Hamad el Chalifa sämtliche Militärfahrzeuge abgezogen. Die Opposition rief daraufhin zu einem neuen Marsch in Richtung des Platzes auf. An einem Zugang versuchte die Polizei zwar, die Demonstranten mit Tränengas zu vertreiben, konnte den Strom der Protestteilnehmer aber nicht aufhalten. Die Opposition des Golfstaats lehnte ein Dialogangebot der Staatsspitze als nicht ernst gemeint ab. Eine weitere Vorbedingung sei neben dem Abzug der Armee der Rücktritt der Regierung, sagte ein hochrangiger Vertreter der wichtigsten schiitischen Oppositionsbewegung El Wefak, Abdel Dschalil Chalil Ibrahim. Um das Demonstrationsrecht durchzusetzen, rief eine Gewerkschaft zu einem unbefristeten Generalstreik ab Sonntag auf.

Im Jemen dauerten die heftigen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Anhängern von Staatschef Ali Abdallah Saleh an. In der Hauptstadt Sanaa wurde nach Zeugenberichten ein Demonstrant erschossen. Die Behörden dementierten dies. Der seit 32 Jahren regierende Präsident hatte angesichts der Protestwelle bereits seinen Verzicht auf eine weitere Kandidatur nach dem Ende seiner Amtszeit 2013 sowie politische Reformen angekündigt.

In Algeriens Hauptstadt Algier versuchten die Sicherheitskräfte, einen Protestmarsch der Opposition zu verhindern. Rund 200 Demonstranten gelang es dennoch, auf den Platz des 1. Mai vorzudringen. Sie forderten den Rücktritt der Regierung von Präsident Abdelaziz Bouteflika.

Im ostafrikanischen Dschibuti, wo Oppositionsproteste selten sind, wurden bei Auseinandersetzungen zwischen Regierungsgegnern und Polizisten am Freitagabend zwei Menschen getötet, wie das Innenministerium am Samstag mitteilte. Im Lauf des Samstags kam es erneut zu gewaltsamen Zusammenstößen.

In Mauretanien wurden am Freitag Proteste gegen Wassermangel und steigende Preise gewaltsam niedergeschlagen. Nach Angaben der Opposition gab es mehrere Verletzte.

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dpa/Reuters/AP/cag/wolf/beu
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