Süddeutsche Zeitung

Unruhen in der arabischen Welt:Jemens Präsident verzichtet auf weitere Amtszeit

Seit 32 Jahren regiert Ali Abdullah Salih im Jemen. Da im Land die Proteste zunehmen, reagiert der Machthaber in Sanaa nun wie Ägyptens Präsident Mubarak. Er will gehen - aber nicht sofort.

Jemens Präsident hat vor dem Parlament seinen Rückzug aus dem Amt angekündigt. Ali Abdullah Salih reagiert damit auf die Proteste in seinem Land. Allerdings will er, genau wie Ägyptens Präsident Hosni Mubarak, nicht sofort abtreten, sondern verzichtet auf eine weitere Amtszeit. Das bedeutet, er würde erst 2013 die Macht abgeben.

Salih appellierte an die Bürger, auf weitere Proteste zu verzichten. In Tunesien hat Präsident Zine el Abidine Ben Ali angesichts des Volksaufstandes das Land verlassen. Ägyptens Präsident Hosni Mubarak kündigte an, nach dem Ende seiner Amtszeit im September nicht wieder anzutreten.

Ob die Demonstranten, die in den vergangenen Tagen bei Demonstrationen "Ali haub ab!" skandiert hatten, sich mit Salihs Entscheidung zufriedengeben werden, ist fraglich. Bei der bisher größten Protestkundgebung vergangenen Donnerstag waren Zehntausende unter dem Slogan "Gestern Tunesien, heute Ägypten, morgen Jemen" durch die Hauptstadt gezogen. Am für diesen Donnerstag geplanten "Tag des Zorns" erwartet die Opposition Hunderttausende Demonstranten.

Medienberichten zufolge habe Salih dem Parlament jetzt erklärt, er wolle seine Macht auch nicht an seinen Sohn übergeben. Der Präsident regiert seit 32 Jahren das Land - von 1978 bis 1990 den Nordjemen und seit 1990 den mit dem sozialistischen Süden wiedervereinigten Jemen.

Gegen Salih, dem es jahrzehntelang gelungen ist, Stammesführer, Scheichs und alte Kämpfer einzubinden, begehren inzwischen weite Teile des Landes auf. Der ehemalige sozialistische Südjemen fordert gut 20 Jahre nach der Vereinigung sogar wieder die Abspaltung. Auch den äußersten Norden hat Salih gegen sich. In der dortigen Region Saada ist die mit den schiitischen Rebellen vereinbarte Waffenruhe brüchig.

Die islamistischen Fundamentalisten haben sich von Salih abgewandt und greifen seine Sicherheitskräfte an. Obwohl al-Qaida keinen großen Rückhalt in der Bevölkerung genießt, sind die Terroristen zu einer ernsthaften Gefahr für die Stabilität des Landes geworden.

Jetzt hat auch die Opposition in Sanaa, die lange Zeit an den politischen Rand gedrängt war, die Geduld verloren. Der 2009 vereinbarte Dialog mit der Regierungspartei über politische Reformen, die bis zu der für Ende April geplanten Parlamentswahl umgesetzt werden sollten, blieb erfolglos. Stattdessen wollte der 68-jährige Salih die Verfassung ändern, um sich eine lebenslange Amtszeit zu ermöglichen. Dieses Plan hat er nun aufgegeben.

Noch haben sich Salihs Gegner nicht zu einer geschlossenen Opposition verbündet. Wirklich gefährlich werde es für den Präsidenten erst, wenn die Demonstranten in Sanaa mit den Frustrierten im Süden und den schiitischen Rebellen im Norden gemeinsame Sache machten, meint der Politikwissenschaftler Gregory Johnsen von der US-Eliteuniversität Princeton.

Salih hat versucht, den wachsenden Widerstand mit Geldgeschenken und Versprechungen zu besänftigen. Er erhöhte den Sold der Soldaten und kündigte einen Fonds an, mit dem Stellen für arbeitslose Uniabsolventen geschaffen werden sollen. Das soll jene beschwichtigen, die vor allem wegen der wachsenden Armut und Perspektivlosigkeit auf die Straße gehen.

Die Strategie hatte offenbar keinen Erfolg.

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