Unruhen in Ägypten:Der Pharao im Führerbunker

Der ägyptische Präsident Mubarak muss vor Gericht - anders wird das Land nicht zur Ruhe kommen. Doch der Autokrat entlarvt sich selbst: Dass sein Land zugrunde geht, interessiert ihn nicht. Im Gegenteil, er eskaliert bewusst.

Tomas Avenarius, Kairo

Alles hängt an einem Entschluss: dem Rücktritt von Präsident Hosni Mubarak. Erst wenn der von seinem eigenen Volk verlassene und gestürzte ägyptische Staatschef tatsächlich geht, kann das Land zur Ruhe kommen. Doch der Langzeit-Herrscher klammert sich an die Macht und verkauft dies auch noch als Verantwortungsbewusstsein: "Ich werde kein Chaos zulassen."

Unruhen in Ägypten: Anti-Mubarak-Plakate wie dieses sind auf allen Demonstrationen in Ägypten zu sehen. Doch der alte Präsident klammert sich an die Macht.

Anti-Mubarak-Plakate wie dieses sind auf allen Demonstrationen in Ägypten zu sehen. Doch der alte Präsident klammert sich an die Macht.

(Foto: AFP)

Das Gegenteil ist der Fall: Der längst Machtlose eskaliert bewusst. Seine eigenen Polizisten und Schläger hatten mit dem Plündern begonnen, zweifellos auf seine Anweisung hin. Das ist Ausdruck seiner Skrupellosigkeit. Wenn die Ägypter die Anarchie mehr fürchten müssen, als sie ihre unvollendete Revolution lieben, könnten sie den Präsidenten und seinen Polizeistaat schnell zurückwünschen. Das ist Mubaraks Kalkül. Der Mann, der Ägypten drei Jahrzehnte lang im festen Griff hatte, würde sich nur zu gern noch einmal als der starke Landesvater präsentieren, der seine Bürger vor all dem Durcheinander und dem Chaos beschützt; der für Recht und Ordnung sorgt, angesichts des Aufbegehrens einer unberechenbaren Opposition. Sollte die Armee am Ende mit Gewalt für Ruhe sorgen, dann könnten Mubarak und seine Gefolgsleute sich tatsächlich noch eine Weile an der Macht halten.

Und wenn nicht? Dann ist es dem Greis im Präsidentenamt auch egal. Der Pharao im Führerbunker: Wenn er schon untergeht, dann nimmt er sein Land und seine Leute mit. Im Niedergang kann er den Aufstand diskreditieren, der ihn die Macht kostet; er kann das Bild einer Revolte beschmutzen, die friedlich begonnen hat: als Aufbegehren der Jugend und der Mittelklasse.

Jetzt, nach dem Verfall von Recht und Ordnung, prägt der Mob das Bild von Ägypten. Die Ärmsten der Armen kommen aus den Elendsvierteln. Sie stehlen, was sie jahrelang in den Glitzerschaufenstern nur sehen konnten, sich nie hätten leisten können. Sie zerschlagen die 5000 Jahre alten Statuen im Ägyptischen Museum. Sie schießen. Aus der Facebook-Revolte droht der Raubzug der Barfüßigen zu werden.

Auch so entlarvt sich der Autokrat: Dass sein Land zugrunde geht, interessiert ihn nicht. Er klammert sich an die Macht. Unterdessen sterben Menschen im Kugelhagel, raubt der Pöbel Hotels, Supermärkte und Wohnungen aus. Mubarak stellt sich auf eine Stufe mit dem rumänischen Diktator Nicolae Ceausescu; dessen Ende ist bekannt.

Hosni Mubarak hat den Moment verpasst, seinem 80 Millionen Volk wenigstens mit einem geordneten Abgang einen Dienst zu erweisen. Stattdessen bildet er mit altvertrauten Gesichtern eine neue Führungsriege, in der Geheimdienst und Militär dominieren. Sollte die Armee, die schon die Straßen Kairos kontrolliert, auch die politische Macht übernehmen, werden sich die Offiziere fragen, was ihnen wichtiger ist: Den alten Kameraden auszufliegen oder ihn dahin zu bringen, wohin er längst gehört: vor Gericht.

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