Universitäten:Der Trend geht zum "Sehr gut"

Erstsemester in Mainz

Mit einer 2,0 sind Studenten heutzutage oft nicht zufrieden.

(Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)

Die Examensnoten werden immer besser und sagen immer weniger aus. Doch zwischen den Fächern gibt es Unterschiede.

Die Examensnoten an deutschen Hochschulen sind seit den Siebzigerjahren immer besser geworden - und sagen immer weniger aus. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher aus Flensburg, nachdem sie drei Jahre lang 138 000 Prüfungsakten und rund 700 000 Examensnoten aus sieben Universitätsarchiven in der Bundesrepublik von 1960 bis 1996 sowie 5,3 Millionen Daten seit 1996 ausgewertet hatten. "Studierende kommen heute mit einer anderen Erwartungshaltung. Wenn Sie eine 2,0 vergeben, sehen Sie manchmal schon ein Tränchen", sagt Gerd Grözinger, Bildungsökonom an der Europa-Universität Flensburg. "Es gibt Fächer wie Biologie oder Psychologie, in denen die Eins die häufigste Note ist", ergänzt Volker Müller-Benedict, Hochschullehrer für Forschungsmethoden. "Das besagt erst mal, dass man zur besseren Hälfte gehört."

Die Noten-Inflation verläuft in Zyklen

"Am meisten verbessern sich die Noten in Deutsch für Lehramt um mehr als eine ganze Note im Durchschnitt (auf der Skala zwischen 4,0 = "gerade noch bestanden" und 1,0 = "ausgezeichnet"), in Biologie am geringsten um immerhin noch 0,6", analysiert Grözinger die Ergebnisse, die jüngst in einem Buch "Noten an Deutschlands Hochschulen" (Verlag Springer VS) publiziert wurden. Die von den Forschern nachgewiesene Inflation verläuft in Zyklen. "Es gibt Phasen, in denen Noten stagnieren und in denen sie besser werden", sagt Müller-Benedict. In Fächern mit nationalem Arbeitsmarkt wie Lehramt oder Psychologie spiegle sich die Konjunktur: "Wenn auf dem Arbeitsmarkt Mangel herrscht, gibt es bessere Noten. Bei Überfüllung wird mehr selektiert." Die Bewertung in allgemeineren Fächern wie Biologie oder Germanistik hänge dagegen oft mit der Zahl der Studenten zusammen: "Wenn viele studieren, wird stärker gesiebt."

Kann es nicht auch sein, dass heutige Absolventen schlicht besser sind als früher? "Doch, klar", sagt Müller-Benedict. "Aber was soll die Note repräsentieren?" Aus seiner Sicht gelte es, die Leistung mit Blick auf den aktuell verfügbaren und gelehrten Wissenskanon einzuordnen. "Mit einer Eins in Chemie im Jahr 1930 würden Sie das Chemieexamen heute vermutlich nicht bestehen." Noten, fordern daher die beiden Forscher, müssten vergleichbar sein, um Ungerechtigkeiten zu beenden.

Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, warnt deshalb davor, gute Noten mit guter Lehre zu assoziieren. Dozenten könnten "Druck verspüren, gute Noten zu vergeben. Ein 'ausreichend' muss begründet werden, ein 'gut' nicht", sagt er. "Statt der immer stärkeren Fokussierung auf Noten", fordert Hippler, gelte es, "die bisherige Notenskala durch drei Kategorien zu ersetzen: exzellent - bestanden - durchgefallen. Mehr brauchen wir eigentlich nicht."

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