Süddeutsche Zeitung

Unionsparteien:"Wir haben's uns wahrlich nicht leicht gemacht"

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Von Dominik Fürst

Der Himmel über München strahlt ausnahmsweise nicht weiß und blau, als Horst Seehofer und Angela Merkel am Montagnachmittag gemeinsam vor die Presse treten. Ein tristes Grau hat die Stadt und das Zukunftstreffen der Unionsparteien eingehüllt, und daran kann selbst der CSU-Chef nichts ändern, obwohl seine Botschaft doch eine positive sein soll: Die Schwesterparteien haben nach einer eineinhalb Jahre dauernden Krise ihre Differenzen zumindest grob überwunden und ziehen zusammen in den Bundestagswahlkampf. CDU-Chefin Merkel ist einmal mehr die gemeinsame Kanzlerkandidatin.

Gemeinsamer Wahlkampf der Union "aus Überzeugung"

"Es waren zwei sehr gute Tage", sagt Seehofer über das so gennante Zukunftstreffen und erwähnt stolz, dass die Parteispitzen von CDU und CSU "zum ersten Mal in der gemeinsamen Geschichte" in der Parteizentrale in München zusammengekommen seien. Der bayerische Ministerpräsident strahlt demonstrativ gute Laune aus. Weil Deutschland nach innen wie nach außen blendend dastehe, weil es eine "Insel der Stabilität" sei, gewähre die CSU Merkel ihre volle Unterstützung. Seehofer kündigt einen "gemeinsamen Wahlkampf aus Überzeugung mit der Bundeskanzlerin an der Spitze" an.

Mit der Überzeugung ist es so eine Sache. Ein Jahr ist vergangen, seit Seehofer zum ersten Mal eine Obergrenze für Flüchtlinge forderte, er von einer "Herrschaft des Unrechts" sprach und eine Klage gegen die Bundesregierung vorbereiten ließ, der seine Partei selbst angehört. Viele werfen Seehofer nun Heuchelei vor, wenn er den Frieden verkündet, obwohl die Probleme bestehen bleiben. "Ich habe nicht die Absicht, hier die Position zu ändern", sagte Merkel zum Thema Obergrenze. Ein "machttaktisches Schmierentheater" nennt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz den Friedensgipfel auf Twitter.

Merkel: Habe meine Herausforderer bei jeder Bundestagswahl ernst genommen

Das würde die Bundeskanzlerin so nicht sagen. "Wir haben's uns wahrlich nicht leicht gemacht in den letzten Monaten", sagt Angela Merkel stattdessen, und dass es wichtig sei, jetzt Klarheit zu haben. Klarheit besteht indes nur in der Frage der Kanzlerkandidatur, die grundsätzliche Meinungsverschiedenheit zwischen CDU und CSU in Sachen Obergrenze bleibt bestehen. "Wir respektieren die unterschiedlichen Positionen", sagt die Kanzlerin. Wie sie mit dem Dissens nach einem möglichen Wahlsieg am 24. September umgehen wird, sagt sie nicht.

Aber vielleicht stellt sich die Frage dann gar nicht mehr. Während Merkel und Seehofer in München sprechen, wird eine Meinungsumfrage öffentlich, nach der die SPD zum ersten Mal seit Gerhard Schröder die CDU in der Gunst der Wähler überholt hat. Natürlich sind solche Umfragen mit Vorsicht zu genießen. Und doch schwebt Martin Schulz, der Kanzlerkandidat der SPD, der die politische Szene in der Bundesrepublik gerade gehörig aufwühlt, wie ein drohender Geist über der Münchner Veranstaltung. "Ich habe bei jeder Bundestagswahl meine Herausforderer ernst genommen und ihnen Respekt gezollt", sagt Merkel dazu. Das gelte auch für die Bundestagswahl in diesem Jahr. Den Namen ihres Herausforderers erwähnt sie nicht.

Und da ist ja nicht bloß Schulz. Es gibt auch noch die politische Konkurrenz von rechts. Und es gibt Donald Trump, den unberechenbaren amerikanischen Präsidenten. "Es wird der schwierigste Wahlkampf, den ich bisher erlebt habe", sagt Merkel: "Das hat mit uns in unserem Land zu tun, aber auch mit der internationalen Entwicklung." Seehofer nickt zustimmend.

Merkels "Neugier aufs Neue" klingt nicht recht überzeugend

Die Parteichefs haben zum Anlass ihres Treffens eine "Münchner Erklärung" ausgearbeitet, in der sie ihre gemeinsamen Werte unterstreichen und die besondere Wichtigkeit der Politikfelder Innere Sicherheit, Wirtschaft, Familie, Deutschlands Rolle in der Welt und Einwanderung betonen. Klare Positionen finden sich in dem Papier nicht - und warum die Union plötzlich ein besonderes Interesse daran haben sollte, Deutschlands Zukunft zu gestalten, wird auch nicht unmittelbar klar.

"Neugier aufs Neue": So formuliert Merkel vorsichtig, was sie sich neben den bekannten konservativen Werten fürs Wahljahr vornehmen möchte. "Ich glaube, der Blick in die Zukunft lohnt sich", sagt sie. Richtig überzeugend klingt es nicht. Das Neue kommt in diesen Tagen ohnehin nicht aus München und nicht aus Berlin. Es kommt aus Würselen, einer kleinen Stadt in Nordrhein-Westfalen.

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