Unionsparteien:Harmonisch auseinander

Angela Merkel und Horst Seehofer inszenieren in München Einigkeit - und verdecken so inhaltliche Streitpunkte.

Von Nico Fried, Robert Roßmann und Wolfgang Wittl

Die Pressekonferenz mit Angela Merkel hat noch gar nicht angefangen, da wird Horst Seehofer quasi schon von der Bühne geholt. Am Montag kurz vor 18 Uhr tragen Techniker im Saal 1 des bayerischen Landtags in München eines der Stehpulte weg. Der CSU-Chef ist nicht mehr vorgesehen. Seehofer will nicht mit der Vorsitzenden der Schwesterpartei CDU auftreten. Ja, was ist denn jetzt schon wieder los?

Gar nichts. Seehofers Verzicht ist kein Zeichen für neuen Streit mit Merkel. Im Gegenteil: Es ist eine ganz subtile Form, Gemeinsamkeit zu demonstrieren. Schon am Morgen hat der CSU-Chef sich das ausgedacht. "Wenn die Kanzlerin meinem Rat folgt, werden wir nicht gemeinsam auf der Bühne sein", hat er Journalisten gesagt. Der Grund: Auch wenn man sich noch so gut verstehe, werde es Momente geben, in denen einer von beiden unglücklich dreinblicke. Das sei nicht zu verhindern. Und solche Bilder soll es nicht mehr geben.

Die Kanzlerin folgt seinem Rat. Bloß keinen zweiten Fehlstart. So wie vor einigen Wochen, als die Parteiführungen von CDU und CSU in München Angela Merkel zur Kanzlerkandidatin kürten. Beim gemeinsamen Auftritt danach war Seehofer um gute Laune bemüht, während Merkel grimmig dreinschaute. Eine Meinungsumfrage, in der die Union erstmals hinter die SPD mit ihrem damals noch frisch wirkenden Kanzlerkandidaten Martin Schulz gefallen war, klang an jenem 6. Februar wie die passende Hintergrundmusik: Spiel mir das Lied vom politischen Tod.

Über das gemeinsame Programm der beiden Parteien wird im kleinen Kreis entschieden

Drei Monate später ist alles anders: Die CDU hat drei Landtagswahlen gewonnen. In den Umfragen für die Bundestagswahl liegt die Union mehr als zehn Prozentpunkte vor der SPD. Merkels Popularität reicht an ihre Beliebtheit in besten Zeiten heran, und selbst einige ihrer größten Kritiker aus der CSU haben sich vorhin klatschend von ihren Stühlen erhoben, als Merkel zur Versammlung aller Unions-Fraktionschefs aus Bund, Ländern und Europäischem Parlament geschritten war. Zur Pressekonferenz am Abend geleiten sie Thomas Kreuzer von der CSU und Mike Mohring von der Thüringer CDU. Seehofer schlendert, die Hände in den Hosentaschen, auf die Journalistenplätze. Ganz ohne ihn wird es auch diesmal nicht gehen.

Viel haben die Herrschaften da vorne nicht mitzuteilen. Mohring sagt, man verstehe die Konferenz als Werkstatt für Ideen. Kreuzer sagt, er sei sicher, dass CDU und CSU in enger Abstimmung zu einem guten Programm kommen würden. Und Merkel würdigt "die gute inhaltliche Arbeit", die geleistet worden sei. Außerdem habe sie sich gefreut, dass der Ministerpräsident des Freistaats an der Sitzung teilgenommen habe. Von dem, was in der Werkstatt und anderswo entsteht, sind bislang aber nur Rohfassungen vorhanden.

Man wolle einen Schwerpunkt auf die Familien legen, sagt Merkel wolkig, außerdem auf Bildung und Fachkräfte; und bei der inneren Sicherheit habe man "ein hohes Maß an Übereinstimmung". Über die Flüchtlingspolitik habe man auch gesprochen, sagt die Kanzlerin. Und da bringt sie sogar einen klitzekleinen Seitenhieb auf frühere Kritiker unter. Zur Beseitigung der Fluchtursachen habe es "eine intensive und für mich spannende Debatte" gegeben - sie freue sich, "dass da großes Interesse inzwischen da ist". Früher gab's ja nur Gemaule. Das sagt sie so natürlich nicht.

Drei Fragen sind zugelassen. Die erste geht zur Steuerpolitik an Merkel - und an Seehofer. Die Kanzlerin sagt, die Einzelheiten würden ein anderes Mal vorgestellt. Und Seehofer? Der drückt den roten Knopf am Mikrofon vor sich und sagt: "Die Frau Bundeskanzlerin hat auch für die CSU geantwortet." Weil er aber immer auch ein bisschen spaßig sein will, schiebt er hinterher: "Einer der seltenen Fälle". Zum Streit um die doppelte Staatsbürgerschaft für Zuwanderer hat Merkel auch keine Antwort, und auf die Frage, ob von der monatelangen Kritik Seehofers an ihr alles vergessen sei, sagt Merkel: "Ich glaube, dass wir uns einig sind, dass wir nach vorne schauen." Man habe sich geprüft und festgestellt: Es gibt eine Basis. Sehr prosaisch klingt das alles. Mike Mohring scheint das zu merken und stimmt deshalb noch einen Lobpreis auf Angela Merkel an, die zwischen all ihren außenpolitischen Verpflichtungen hergekommen sei und über Kommunalpolitik, den Niger und das Patenrecht gleichermaßen kundig gesprochen habe. "Danke für die Blumen", sagt Merkel. Aber gebraucht hätte es das ihretwegen wohl nicht.

Sie hat nämlich noch was vor. Wenige Minuten später trifft Merkel in einem Münchener Wirtshaus ein. Theo Waigel hat sie eingeladen, Ex-Finanzminister und Gründer einer Initiative von CSUlern für Merkel. Es sei für sie bewegend, sagt die Kanzlerin in einer kleinen Rede, "dass Sie in Zeiten, wo es nicht so simpel war, diesen Schritt getan haben zu sagen: Ich unterstütze Angela Merkel". Rund 80 Leute sitzen an den Tischen, auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann ist da. "Ob das im Januar auch schon so gewesen wäre, weiß ich nicht", sagt Merkel. Waigel betont, dass man die Initiative schon vor den Landtagswahlen gegründet habe, als es um Merkel noch nicht so gut stand und auch in der CSU noch geunkt wurde, was im Falle von drei Niederlagen passieren würde. Wie sich die Zeiten geändert haben, sieht man an Joachim Herrmann. Per Sms hatte er bei Waigel am Morgen angefragt, ob er zehn Minuten vorbeikommen dürfe. Nach einer Stunde sitzt er immer noch da.

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