Süddeutsche Zeitung

Unionsfraktion gegen NPD-Verbotsverfahren:Eine Enthaltung ist keine Haltung

Der Bundestag hat heute einen eigenen NPD-Verbotsantrag abgelehnt. Ein "Nein" ist genauso gut begründbar wie ein "Ja". Aber das "Jein" von CDU und CSU ist unerträglicher Opportunismus.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Eine Enthaltung ist keine Haltung, schon gar nicht für einen Politiker. Sie sind dafür da, um zu entscheiden - und nicht, um sich davor zu drücken. Das gilt vor allem, wenn es um etwas so Wichtiges wie einem Antrag auf ein Parteienverbot geht.

Die Union macht genau das. Sie enthält sich. Sie sagt irgendwie "Ja" zum Verbotsantrag der Länder gegen die rechtsradikale NPD. Und irgendwie auch "Nein", weil sie einen eigenen Verbotsantrag des Bundestages nicht auf den Weg bringen will. Das fordert vor allem die SPD, die mit ihrer Vorlage jedoch heute im Bundestag gescheitert war.

Dieses "Ja" und dieses "Nein" passen nicht zusammen. Wer den Verbotsantrag der Länder "begrüßt", wie es offiziell heißt, der kann die Länder nicht im Stich lassen, wenn sie vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Es gibt ebenso gute Gründe für ein Verbotsverfahren wie dagegen. Die NPD ist eine Partei mit menschenverachtender Programmatik, die lieber heute als morgen diese Demokratie abschaffen würde. Sie bekommt über die Wahlkampfkostenerstattung dafür auch noch Geld vom Staat. Andererseits lässt sich brauner Gedankenmüll nicht verbieten. Wer heute in der NPD ist, sucht sich nach einem Verbot eine andere Partei oder gründet eine neue.

Das sind gewichtige Argumente für und wider. Die FDP im Bundestag will kein Verbot. Sie ist klar dagegen. Dann ist es ihr gutes Recht, einen Verbotsantrag des Bundestages nicht mittragen zu wollen; auch wenn es erstaunlich ist, dass die Liberalen - abgesehen von Hessen - in allen Ländern, in denen sie mitregieren, den Verbotsantrag des Bundesrates unterstützt haben.

Es waren übrigens bis auf Hessen auch alle Länder, in denen die Union mitregiert, für den Verbotsantrag. Im Bundestag aber wollen die Abgeordneten der Union nicht. Sie haben gewartet und gewartet, bis die Bundesregierung als drittes Verfassungsorgan, das ein Parteiverbot beantragen kann, endlich Position bezogen hat. Schwarz-Gelb wird keinen Antrag stellen.

Die Bundesregierung muss mit einer Stimme sprechen. Die FDP war dagegen. Die anderen Minister uneins. Das Votum, nicht aktiv zu werden, kam da wenig überraschend.

Im Bundestag aber gelten andere Spielregeln. Es hätte in dieser wichtigen Frage fraktionsübergreifende Anträge geben können. Die Abgeordneten des Parlaments hätten souverän ihre Position zu einem Verbotsantrag bestimmen können.

Jetzt aber schließen sich Union und FDP der Regierung an. Sie machen sich damit zum Wurmfortsatz der Unentschlossenen, zum Mündel der Regierung. Dafür wurden sie nicht gewählt.

Und sie machen es sich zu leicht. Scheitert der Antrag des Bundesrates vor dem Bundesverfassungsgericht, dann waren es die Länder. Dann dürfen alle, die es immer schon besser wussten sagen: "Seht her, wir haben es besser gewusst." Gewinnen die Länder, werden sich alle freuen und sagen: "Seht her, wir haben es schon immer gewusst."

Das ist unerträglicher Opportunismus. Gerade dann, wenn es um die Bekämpfung des braunen Sumpfes geht. Die FDP hat mit ihrem grundsätzlichen "Nein" zu Parteiverboten wenigstens immer eine klare Haltung gehabt. Die Union dagegen ist schlicht feige. Diese Feigheit ist eine Schande für die Demokratie.

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