Unionsfraktion:Erstaunlich devot

Unionsfraktion: Will Unionsfraktionschef werden: Ralph Brinkhaus

Will Unionsfraktionschef werden: Ralph Brinkhaus

(Foto: AFP)

Die Spitze der CDU/CSU-Fraktion wird neu gewählt. Gegen Merkels Vertrauten, den Fraktionschef Volker Kauder, tritt Ralph Brinkhaus an. Er fragt erst einmal brav bei Merkel nach, ob sie das auch ok findet.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Die Unionsfraktion hat zu Recht den Ruf, kein Hort aufbegehrender Revolutionäre zu sein. In der Regel verlaufen die Debatten der Abgeordneten derart friedlich und kurz, dass sie Sozialdemokraten und andere Viel-Diskutierer noch nicht einmal als Debatten bezeichnen würden. Es muss schon sehr viel zusammenkommen - wie im Streit um die Griechenland-Hilfen oder die Flüchtlingspolitik - damit die Unionsabgeordneten vorhandenem Unmut auch mal Luft machen. Dazu hat in den vergangenen 13 Jahren auch Volker Kauder beigetragen. Der Unionsfraktionschef scheint es als seine Hauptaufgabe anzusehen, der Kanzlerin das Leben leicht zu machen. Doch was man in der vergangenen Woche erlebt hat, ist selbst für CDU-Verhältnisse erstaunlich devot.

Fraktionsvize Ralph Brinkhaus möchte statt Kauder Vorsitzender werden. Und was macht Brinkhaus als Erstes? Er verkündet nicht selbstbewusst seine Kandidatur. Sondern er bittet die CDU-Vorsitzende untertänigst, ihn für das Amt vorzuschlagen. Brinkhaus wirft damit ein Schlaglicht auf einen Komment in der Unionsfraktion, der seit Langem gilt, aber sehr fragwürdig ist. Ihm zufolge dürfen die Parteivorsitzenden von CDU und CSU den Fraktionschef vorschlagen.

Konkret heißt das, dass die Kanzlerin und ihr Innenminister, also Vertreter der Exekutive, maßgeblich entscheiden, wer das vorgeblich mächtigste Amt der Legislative bekommt. Dabei sind die Abgeordneten die von den Bürgern gewählten Volksvertreter. Es ist ihre Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren - und nicht umgekehrt. CSU-Chef Horst Seehofer ist noch nicht einmal Mitglied der Fraktion, über deren Vorsitz er nun mitbestimmt.

Es ist erstaunlich, dass Abgeordnete einen derartigen Komment immer noch akzeptieren. Das gilt erst recht, wenn man sich die Zusammensetzung der Unionsfraktion anschaut. Fast 95 Prozent der Abgeordneten sind direkt und nicht über Parteilisten gewählt. Da wäre etwas mehr Selbstbewusstsein gegenüber den Vorsitzenden durchaus angebracht.

Nach all den Streitereien wünschen sich sogar die Merkel-Kritiker erst mal Ruhe

Wie geht es jetzt weiter? Es gilt als sicher, dass Merkel und Seehofer Kauder zur Wiederwahl vorschlagen werden. In der Fraktion gibt es zwar erhebliches Grummeln über ihn, viele wünschen sich eine neue Spitze und eine Fraktion, die unabhängiger von den Wünschen des Kanzleramts agiert. Trotzdem wird Kauder nach menschlichem Ermessen wiedergewählt werden. Denn nach einer Empfehlung durch Merkel wäre seine Nicht-Wahl eine Brüskierung der Kanzlerin. Es würde sofort eine Debatte beginnen, ob es nicht auch für Merkel an der Zeit wäre zu gehen. Vor den Wahlen in Bayern und Hessen und kurz nach dem nur mühsam befriedeten Asyl-Streit wünschen sich aber auch die Merkel-Kritiker vor allem eines: Ruhe. Außerdem käme für Macht-Aspiranten wie Jens Spahn eine Kandidatur noch zu früh.

Es ist trotzdem gut, dass Brinkhaus antreten will. Auch in der CDU gibt es bei Wahlen viel zu selten Auswahl. Als sich Spahn vor vier Jahren fürs Parteipräsidium bewarb, obwohl es damit mehr Kandidaten als Plätze gab, galt bereits das als Sensation. Das war nicht immer so: 1973 konnten die Unionsabgeordneten sogar zwischen drei Kandidaten für den Fraktionsvorsitz wählen: Richard von Weizsäcker, Ex-Außenminister Gerhard Schröder und Karl Carstens. Damals gewann übrigens der Neuling Carstens.

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