Süddeutsche Zeitung

Union zur Frauenquote:Der Kompromiss spaltet, statt zu einen

Die CDU-Frauen wollen jetzt geschlossen gegen die Frauenquote stimmen, obwohl sie dafür sind. Der Kompromiss zur Frauenquote hat die Rebellinnen um Ursula von der Leyen offenbar ruhig gestellt, die für eine starre Quote vielleicht die Koalition hätten platzen lassen. Jetzt aber hat die Union ein Problem - wofür sie steht, lässt sich nicht mehr klar beantworten.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Michael Grosse-Brömer gehört nicht zu denen in der Bundespolitik, die für klare Standpunkte bekannt sind. Er ist der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag. Als solcher hatte er am Vormittag die undankbare Aufgabe, den etwas seltsamen Kompromiss zur Frauenquote zu erklären. Ein "guter Kompromis" sei das, sagt er. Vor allem aber wohl einer, der verhindert, dass an diesem Donnerstag die Frauenquote in den Aufsichtsräten deutscher Dax-Konzerne zur gesetzlichen Verpflichtung werden könnte. Von 2018 an ein Anteil von 20 Prozent, von 2023 an eine Quote von 40 Prozent: So sieht es der Gesetzentwurf des Bundesrates vor.

In der Länderkammer haben dem Entwurf schon zwei Bundesländer mit schwarzer Regierungsbeteiligung zugestimmt: das Saarland und Sachsen-Anhalt. Jetzt hatten 20 CDU-Frauen inklusive Arbeitsministerin Ursula von der Leyen gedroht, im Bundestag dem Beispiel der CDU-Landeschefs Annegret Kramp-Karrenbauer und Reiner Haseloff zu folgen. Das vorzeitige Ende der schwarz-gelben Koalition in Berlin stand plötzlich im Raum. Die FDP ist strikt gegen jede Quote und erwartet uneingeschränkte Koalitionsdisziplin.

Die bekommt sie jetzt. Am Abend zeichnete sich in der Fraktionsitzung ab, dass CDU und CSU am Donnerstag geschlossen gegen die Frauenqoute stimmen werden.

Erpressung nannten einige aus der Union das, was die CDU-Frauen getan haben. Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates etwa, Kurt Lauk, befand in der Rheinischen Post, es könne "nicht die politische Kultur der CDU sein, dass eine Gruppe mit der Drohung, für Oppositionsanträge zu stimmen, die Führung der Partei erpresst und Parteitagsbeschlüsse nachträglich korrigiert."

Jetzt ist Lauk keine so sonderlich gewichtige Stimme in der CDU. Aber vor allem Ursula von der Leyen dürfte sich mit ihrer Haltung durchaus unbeliebt gemacht haben. Einer ihrer Parteifreunde aus der Fraktion schimpft im Gespräch mit SZ.de: "Die mag jetzt als kleine Siegerin erscheinen, aber die ist nach der Aktion auf ganz breiter Front unten durch." Nur die anstehende Bundestagswahl habe von der Leyen den Kopf gerettet. "Und das alles wegen einer albernen Quote", stöhnt der Abgeordnete.

Nicht ganz so aufgebracht formuliert CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt am Tag nach der Einigung ihren Frust: Sie habe ihre "persönlichen Befindlichkeiten im Fraktionsvorstand deutlich" gemacht. Sie gehe jetzt "davon aus, dass solche Verfahren nicht Schule machen". Für Hasselfeldts Verhältnisse war das allerdings eine schallende Ohrfeige für von der Leyen.

Es stellt sich ohnehin die Frage, was die aufständischen Frauen mit dem Kompromiss gewonnen haben. Er sieht vor, dass die von der CDU beschlossene Flexi-Quote, die vor allem auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen setzt, ab 2018 von einer starre Quote abgelöst wird, falls bis dahin die Flexi-Quote keinen nennenswerten Erfolg gebracht hat. Allerdings: Die Zielvorgabe von 30 Prozent ist so mau, dass es an ein Wunder grenzte, würden sie nicht erfüllt.

Andererseits verliert die Union mit ihrem Kompromiss ein Alleinstellungsmerkmal, wieder einmal: Flexi-Quote gegen starre Quote, wie sie SPD und Grüne wollen, das gilt jetzt nicht mehr. Im Prinzip steht jetzt auch die CDU für eine starre Quote - sehr zum Verdruss der Konservativen in der Union.

Der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung etwa, Josef Schlarmann, nennt den Kompromiss einen "Kuhhandel". Der "Deal der Parteiführung" sei "unglaubwürdig", da er aus wahltaktischen Gründen zunächst eine Ablehnung, später die Einführung einer verbindlichen Quote propagiere. "Mit einer so von taktischen Überlegungen bestimmten Politik kann man im Bundestagswahlkampf kein Vertrauen gewinnen."

Die neuen Ziele sollen in das gemeinsame Wahlprogramm von CDU und CSU aufgenommen werden. Die Bayern werden das wohl oder übel mittragen, lässt wiederum CSU-Frau Gerda Hasselfeldt durchblicken.

Irgendwann soll es auch einen neuen Parteitagsbeschluss der CDU geben. Die bestehende Beschlusslage (Flexi-Quote) soll dann um die starre Quote "erweitert" werden, wie sich Grosse-Brömer ausdrückte. Wann? Das ist unklar. Und auf die Frage, wie sicher er sich sein kann, dass der Kompromiss von der CDU-Basis breit mitgetragen wird, antwortete er: "Sicher ist da gar nichts."

Die Widerstände dürften gewaltig sein. Nicht wegen der Forderung an sich. Sowohl das am Donnerstag zu Abstimmung stehende Quoten-Gesetz als auch der Quoten-Kompromiss mit den CDU-Rebellinnen haben so gut wie keine Auswirkung auf die Lebenswirklichkeit der Frauen in Deutschland. Die Quote bezieht sich lediglich auf die Aufsichtsräte der Dax-Konzerne. Doch die Symbolkraft ist nicht zu unterschätzen.

Die Haltung der Union lässt sich so klar jetzt nicht mehr feststellen. Nach Beschlusslage sind Partei und Fraktion gegen eine starre Quote. Ins Wahlprogramm soll sie dennoch - allerdings vor allem um die Rebellinnen ruhig zu stellen. Was da die Wahlkämpfer von CDU und CSU den fragenden Bürgern an den Infoständen antworten sollen, bleibt offen. Die neue Unschärfe der CDU könnte wichtige Prozentpunkte kosten.

Es hätte auch einfacher gehen können: So hätten es Fraktions- und Parteiführung einfach darauf ankommen lassen können, ob die CDU-Frauen tatsächlich gegen die Mehrheiten ein Gesetz durchgeboxt hätten, das vor allem von SPD und Grünen befördert wurde - und damit wohl wenige Monate vor der Bundestagswahl die Koalition hätten platzen lassen. Offenbar aber schien das Risiko zu groß.

Grosse-Brömer mag das alles nicht. Erst der Stress mit der Homo-Ehe, jetzt die Frauen und ihre Quoten. "Die Politik leidet darunter, dass sie gesellschaftlichen Entwicklungen unterliegt", sagt er in einem Anfall von Fatalismus. Aus dem Zusammenhang gerissen sei der Satz, beschwert er sich später auf Twitter.

Fragt sich, in welchem Zusammenhang der Satz schöner klingt.

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